Geoscience Reference
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verschiedenen Kugelfunktionsentwicklungen können denk-
bar einfach über das Internet beim International Centre for
Global Earth Models (ICGEM) 42 bezogen werden. Dort
sind auch Programme für die Erzeugung von Karten des
Schwerefelds und des Geoids aufrufbar. Das Hinzufügen
von terrestrischen Beobachtungen zu den Satellitendaten
ermöglicht die Erhöhung der Auflösung insbesondere klein-
räumigerer Anomalien mit entsprechend flacheren Ursachen.
Tabelle 4.1 zeigt die ersten Koeffizienten der Kugelfunkti-
onsentwicklung EGM 2008 bis zum Grad und zur Ordnung
2160. Der weitaus größte, C 2 D J 2 , beschreibt die Ab-
weichung des Erdkörpers von der Kugelsymmetrie. J 2 wird
daher als dynamische Abplattung bezeichnet. Sein Wert ist
um drei Größenordnungen größer als jene der nächstgroßen
Koeffizienten, C 2 und S 2 . Diese beschreiben die Asym-
metrie der Massenverteilung in der Äquatorebene bezüg-
lich der Drehachse und die Verdrehung der entsprechenden
Hauptträgheitsachsen relativ zu den Hauptachsen X und
Y der Äquatorebene des Niveauellipsoids. Die EGM2008 -
Kugelfunktionsentwicklung des Geoids erreicht je nach be-
trachtetem Kontinent 42 eine RMS-Genauigkeit von ˙ 13 bis
˙ 25 cm und auf den Ozeanen von ˙ 6 cm (EGM2008 Deve-
lopment Team 2010 ) . Damit können detaillierte Karten der
Topografie der mittleren Ozeanoberfläche erstellt werden,
deren Variation von 2,0m bis C 1,1m um den stationären
Mittelwert die Auf-und Abstromzonen der großen Meeress-
trömungen anzeigen.
Abbildung 4.26 a und b zeigen Karten der weltweiten
bzw. europäischen Geoidanomalien. Dargestellt ist in diesen
Karten die Differenz zwischen dem Internationalen Referen-
zellipsoid GRM80 und einem Geoid, das aus einer Kugel-
funktionsentwicklung bis zum Grad und der Ordnung 360
berechnet wurde. Hierbei beträgt der über den ganzen Glo-
bus gemittelte Gesamtfehler des Geoids 22 cm (Förste et al.
2008a , b ; pers. Mitteilung Dr. Christoph Förste, Helmholtz-
Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum). In
Abb. 4.26 a erkennt man im Globalen Geoid deutlich das
große Minimum im Indischen Ozean mit kleineren Mini-
ma in Zentralasien, der Karibik und im Ostpazifik sowie die
großen Maxima bei Papua-Neuguinea und im Nordatlantik
mit kleineren Maxima im Südpolarmeer südlich von Afrika
und in den Anden bei Peru. In Abb. 4.26 b zeigt das Geoid
in Europa eine Zweiteilung in niedrige Werte auf der osteu-
ropäischen Plattform, die durch die Tornquist-Zone von den
höheren, auf das Maximum im Nordatlantik hin ansteigen-
den Werten in Mittel- und Westeuropa abgegrenzt werden.
Die Tornquist-Zone markiert hierbei den plattentektonischen
Grenzbereich zwischen dem Baltischen Schild Skandina-
viens einerseits undMittel- sowie Südosteuropa andererseits,
welcher als geologische Schwächezone zwei Bereiche der
großen eurasischen Kontinentalplatte trennt. Ebenso bilden
sich die Hochgebirge der Alpen, Pyrenäen und des Atlas in
Nordafrika durchMaxima und der hellenisch-zyprische Sub-
duktionsbogen im östlichen Mittelmeer durch ein deutliches
Minimum im Geoid ab.
4.3 Schwereanomalien, Schwerereduktion
und Isostasie
Messwerte der Schwerebeschleunigung sind einer Anzahl
von Einflüssen unterworfen, die mit der Zeit und der Lage
des Messpunktes variieren. Um Schwerewerte in Hinsicht
auf geologische Ursachen vergleichen zu können, müssen
daher alle Einflüsse eliminiert werden, die nicht mit lateralen
Variationen der Dichte im Untergrund in Verbindung stehen.
Die auf der Erde bzw. von Flugzeugen, Schiffen oder Sa-
telliten aus gemessenen Daten werden hierfür durch eine
Reihe spezieller Korrekturen und Reduktionen homogeni-
siert und auf ein einheitliches Bezugsniveau umgerechnet.
Dies macht sie vergleichbar (siehe Abschn. 4.3.1 ) .
Bei der Vermessung der Schwere- und Magnetfelder der
Erde von Satelliten aus dem Weltraum wurden im letz-
ten Jahrzehnt große technologische Fortschritte erzielt, wel-
che enorme Sprünge in der Qualität und Interpretation von
Schweredaten bewirkten: Zum einen ermöglicht die GPS-
Technologie die hoch genaue Angabe von Höhen über dem
Niveauellipsoid. Da die Fragestellung in der Geophysik im
Unterschied zur Geodäsie weniger in der Bestimmung der
Figur der Erde als vielmehr in der Ermittlung von Variatio-
nen der Dichte im Untergrund bestehen, erfolgen Schwere-
messungen in der Geophysik heute bezüglich des Niveauel-
lipsoids. Die Verfügbarkeit und hohe Genauigkeit von GPS-
Höhen sind daher von großem Nutzen. Sie helfen Fehler
zu vermeiden, die bei Höhenangaben bezüglich des Geo-
ids („über NN“) durch Undulationen des Geoids relativ
zum Niveauellipsoid entstehen. Dies wird in der Literatur
als indirekter Effekt bezeichnet. Zum anderen ermöglichen
die hohe Messgenauigkeit sowie die vollständige Überde-
ckung der gesamten Erdoberfläche durch Satelliten und mit
an Land gewonnenen Daten Kugelfunktionsentwicklungen
des Schwerefelds von vierstelliger Grad- und Ordnungs-
zahl mit einer räumlichen Auflösung von unter 10 km (siehe
Abschn. 4.3.2 ) . Beide Faktoren ermöglichen Schwerekarten
von bislang nicht erreichter Genauigkeit und ungekanntem
Detailreichtum.
4.3.1 Korrektur und Reduktion von Messwerten
der Schwerebeschleunigung
Zunächst müssen Korrekturen angebracht werden, welche
zeitlich und räumlich variable Effekte beseitigen: Die Drift-
korrektur g D korrigiert den Instrumentengang und berück-
42 http://icgem.gfz-potsdam.de/ICGEM/ICGEM.html .
 
 
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