Geoscience Reference
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Dies leitet über zur Helioseismologie, die im folgen-
den Kapitel beschrieben wird, obwohl dies ein Buch über
die Physik der Erde ist. Denn einerseits werden die Plane-
ten, die Sonne und andere Sterne mit den gleichen Metho-
den erforscht, die für die Erkundung der Erde entwickelt
wurden. Andererseits illustriert uns die Helioseismologie
schlaglichtartig und im Extrem, was die Arbeitsmethodik
der Geophysik ausmacht und worin ihre besondere Faszinati-
on begründet ist: Die Erkundung entlegener, unzugänglicher
Bereiche durch Fernbeobachtungen von bzw. nahe der Erd-
oberfläche, im Falle der Helioseismologie also aus extremer
Distanz, mit Hilfe hochentwickelter Mess- und Interpretati-
onstechnik.
der Sonne angeregt. Dabei wird die akustische Energie vor-
nehmlich kontinuierlich und stochastisch verteilt freigesetzt.
Im Gegensatz zur Erde wird dagegen eine den Erdbeben
vergleichbare impulsartige Energiefreisetzung selten beob-
achtet. Dies eröffnet die Möglichkeit zur seismologischen
Untersuchung der Sonne und anderer Sterne aus der Ferne
nur durch die Analyse optischer Daten, ohne dass auch nur
ein Seismometer für die Aufzeichnung der Schwingungen
erforderlich ist - im wahrsten Sinn das auf die Spitze getrie-
bene Prinzip der seismologischen Erkundung!
Von der ersten Beobachtung des Phänomens bis zur Ent-
wicklung der Helioseismologie als der leistungsfähigsten
Methode zur Entschlüsselung der inneren Struktur der Son-
ne und entfernterer Sterne bedurfte es auf der einen Seite
der Theorie der Eigenschwingungen, die in der terrestri-
schen Spektroskopie weit entwickelt war. Und auch Lauf-
zeitkurven lassen sich auf der Sonne erstellen, wie im Ab-
schn. 3.3.3.2 näher ausgeführt wird - mit Hilfe von Korre-
lationsanalysen und ganz ohne Seismometer. Da die Sonne
aber nicht wie die Erde überwiegend fest, sondern gasförmig
ist, weist sie zudem auch solche Schwingungsmoden auf,
die auf der Erde nicht beobachtbar sind. Andererseits wa-
ren zur Analyse aber auch optische Beobachtungsdaten ho-
her Qualität über mehrere Perioden der 25-tägigen Sonnen-
umdrehung erforderlich. Das hierfür aufgebaute Netzwerk
von global verteilten Observatorien wird weiter unten be-
schrieben, ebenso wie die zu diesem Zweck bestimmten
Raumfahrtmissionen. Insofern demonstriert die Helioseis-
mologie exemplarisch die wichtigsten Komponenten und
Wesenszüge geophysikalischer Forschung von der Daten-
aufnahme über die Interpretation bis hin zur Inversion von
strukturellen und physikalischen Eigenschaften (siehe Ab-
schn. 1.2 und Abb. 1.2 ) .
Die Sonne bzw. Teilbereiche von ihr verhalten sich in
Bezug auf diese Energiefreisetzung wie ein Hohlraumreso-
nanzkörper, der durch destruktive Interferenz die meisten
der angeregten Wellen auslöscht. Somit werden durch kon-
struktive Interferenz jene Frequenzen und Moden verstärkt,
welche bestimmten Resonanzbedingungen genügen. Diese
Eigenmoden bilden ein System stehender Wellen in der
Sonne. Daher können Methoden, die für die Untersuchung
der terrestrischen Eigenschwingungen entwickelt wurden,
gleichfalls eingesetzt werden, um den inneren Aufbau der
Sonne zu ermitteln. Ständige instrumentelle Verbesserun-
gen und eigens durchgeführte Großexperimente versprechen
weitere Durchbrüche im Verständnis insbesondere von ört-
lichen und zeitlichen Variationen im Aufbau der Sonne. In
nur wenigen Jahrzehnten entwickelte sich die Helioseismo-
logie seit der ersten Beobachtung von solaren Oszillationen
durch den Amerikaner Robert Leighton (Leighton et al.
1962 ) und deren Verbindung mit Eigenschwingungen bis
zur ersten genauen Messung von Periode und horizontaler
Wellenlänge der fünfminütigen solaren Oszillationen durch
3.3.3 Helio- und Astroseismologie
Geophysikalische Methoden werden in der Astrophysik re-
gelmäßig zur Untersuchung anderer Himmelskörper ange-
wendet. Insbesondere die Potenzialmethoden eignen sich
dafür, aus den mit Satelliten aus der Ferne vermessenen ma-
gnetischen und Schwerkraftfeldern der jeweiligen Himmels-
körper Schlussfolgerungen auf ihren inneren Aufbau zu zie-
hen. Anders verhält es sich mit der seismischen Vermessung,
die in der Regel ja die Aufzeichnung von Bodenbewegun-
gen erfordert und somit die Platzierung von Seismometern
auf den jeweiligen Himmelskörpern. So wurden in den Jah-
ren 1969-1972 von den Astronauten der Apollo -Missionen
12, 14, 15 und 16 an den jeweiligen Landestellen auf dem
Mond Seismometer aufgestellt, welche kontinuierlich Daten
aufzeichneten und zur Erde übertrugen, bis sie im Jahr 1977
abgeschaltet wurden. Dies blieb jedoch die Ausnahme, auch
weil das Aufstellen von Seismometern auf den Gasplaneten
und Sternen physikalisch gar nicht möglich ist, selbst wenn
die jeweiligen Himmelkörper von Raumschiffen aus erreicht
werden könnten.
Bewegungen der Oberfläche von strahlenden Himmel-
körpern können jedoch auch mit Hilfe des Dopplereffekts
optisch beobachtet werden. Dies eröffnet die Möglichkeit ei-
ner Seismologie ohne Seismometer, in der die Bewegungen
der Oberfläche des jeweiligen Himmelskörpers aus Ver-
schiebungen bzw. Oszillationen der Spektrallinien des von
diesen Himmelsobjekten ausgehenden Lichts abgeleitet wer-
den können.
So beobachtet man bei der Spektroskopie des Lichts
der Sonne und anderer Sterne solche Schwingungen der
Spektrallinien, die ihre Ursache in der Sonne selbst ha-
ben und keine Artefakte der instrumentellen Aufzeichnung
oder der Atmosphäre sind. Lange wurde über ihre Ursachen
gerätselt, bis man sie in den Eigenschwingungen der Son-
ne fand, welche eine Dopplerverschiebung der Frequenzen
der betreffenden Spektrallinien bewirken. Diese solaren Ei-
genschwingungen werden durch akustische Wellen im Gas
 
 
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