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als in Norlans Lada hätte ich mich wahrscheinlich auf dem Beifahrersitz jedes Rallyewa-
gens gefühlt. Wie die fahren! Kein Wunder, dass man alle paar Meter ein Grab am Stra-
ßenrand sieht. Aber der Tod scheint hier zum Leben dazuzugehören, und weniger Angst
davor zu haben, macht das Leben offenbar leichter - nie habe ich so furchtlose und ent-
spannte Menschen kennengelernt. Bei uns steigt man ins Auto und geht davon aus, dass
man sicher ans Ziel gebracht wird - in dieser Region steigt man ins Auto und ist froh,
wenn man ankommt.
Bei Norlans Überholmanövern habe ich meine Füße in den Boden gestemmt und
mich zu Norlans Belustigung am Armaturenbrett festgekrallt. Bei einem kurzen Stopp im
Supermarkt musste er feststellen, dass sein rechtes Vorderrad platt war, was aber keinen
Grund darstellte, nach dem Einkauf nicht weiterzufahren. Alles halb so wild hier - auch
ein platter Reifen ist noch rund, aber wer keinen Aschenbecher im Auto hat, muss mit
einer Strafe der Verkehrspolizei rechnen, erklärt uns Norlans Vater. Ob er uns damit auf
den Arm nehmen wollte?
Zu Hause angekommen hat Norlans Frau bereits üppig aufgetischt. Wir sitzen rund
um den niedrigen Tisch im Schneidersitz auf dem mit Teppichen bedeckten Boden und
schlemmen Hammelfleisch, gedünstete Zwiebeln und Fladenbrot. Dazu gibt es Kumys,
die köstliche vergorene Stutenmilch. Wir sprechen darüber, wie es ist, draußen in der
Natur zu leben, und Hansen fragt, wie wir uns vor dem Wolf bzw. dem »Wolk« , wie er
hier heißt, schützen können. Vor dem bräuchten wir keine Angst zu haben, erklärt uns
Norlans Frau lachend, der sei so scheu, dass er sofort Reißaus nehmen würde, wenn er
uns nur sieht.
Am nächsten Morgen werden wir zum Frühstück so großzügig verköstigt, dass wir
uns danach am liebsten direkt wieder hingelegt hätten. Aber unsere Fahrräder warten
schon auf uns. Und die Berge!
Wir haben heute unseren ersten kleineren Pass in Angriff genommen und sind mit
singenden Bremsscheiben in das Tal von Taras eingefahren. Nicht nur wir, auch die Lkw
haben ordentlich mit der Abfahrt kämpfen müssen und sind im ersten Gang langsam
stinkend den Berg hinuntergefahren. Als wir unten ankommen sind, waren die Brems-
scheiben durch die Hitze dunkelblau angelaufen. Das hat Spaß gemacht, aber für heute
haben wir genug geschafft.
»Das Einzige, was jetzt fehlt, ist noch eine Einladung zum Übernachten und Essen«,
sage ich gerade zu Hansen, als ein BMW mit glänzenden Alufelgen und getönten Schei-
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