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geschlagen: Eingang-Rad, kein Zelt, eine dünne Decke und als Nahrung fast ausschließ-
lich Compressed Army Biscuits, die es in China in fast jedem Supermarkt zu kaufen gibt.
»Ahhh«, stöhnt er immer wieder und hält sich mit beiden Händen den Kopf: »Mein
Kopp, ich hab mir wohl bei Murat und Achmed im Lkw entweder 'ne Gehirnerschütte-
rung geholt, oder drei Liter Wasser am Tag sind einfach zu wenig!« Ich tippe auf Letzte-
res. Hansen und ich trinken, wenn irgendwie möglich, jeder zehn Liter Wasser am Tag.
Nils ist ziemlich mitteilungsbedürftig, und nach ein paar großen Schlucken Wasser er-
zählt er uns seine Geschichte.
Nils versucht, mit seiner Tour der »ganzen Kommerzkacke« zu entfliehen, wie er es
nennt. Daher seine minimale Ausrüstung. Er ernährt sich von allem, was er im lokalen
Umfeld auftreiben oder erlegen kann, unter anderem Schlangen, Insekten, Vögel, Erd-
männchen und verschiedene Pflanzen. »Erdmännchen schmecken echt pissig, kann ich
euch sagen, echt pissig, die ess' ich nur, wenn ich richtig Hunger hab! Aber sie sind su-
perleicht zu fangen. Ich sag euch, wie!« Er lacht über meinen mitleidigen Gesichtsaus-
druck. »Einfach über den Bau stellen, reinpissen oder Wasser reingießen und dann von
oben am Nacken packen. Die hassen Wasser«, erklärt er seine Jagdmethode und hält eine
imaginäre frisch erlegte Erdmännchentrophäe hoch. »Apropos Fressen«, sagt Nils, »ich
hab da noch drei kleine Vögelchen hier in einem Nest unterm Dach gefunden, da ma-
chen wir uns gleich ein kleines Süppchen.« Er holt einen Hammer hervor, klopft die
Fliesen von der Bushaltestelle ab und versucht, mit der Hand an die kleinen Vögel in der
Hohlwand zu kommen. Die Mutter fliegt wild zeternd um ihn herum. Etwas mulmig ist
mir schon, als er die kleinen Vögel mit einer Drahtschlinge aus dem Loch zieht und ih-
nen mit einer Kneifzange das Genick bricht. Aber im Grunde muss ich ihm recht geben:
Die kleinen Vögel zu essen ist weniger grausam als eine Portion Chicken Wings bei Bur-
ger King.
Leider geben die allenfalls wenige Wochen alten Vögel nicht viel her. Nachdem wir
sie gerupft und ausgenommen haben, bleibt gerade ein Bissen pro Vogel übrig. Nils zer-
teilt sie und schmeißt sie in das kochende Wasser. »Probier mal«, sagt er, als sie fast eine
halbe Stunde gekocht haben, und hält mir einen Löffel mit der Brühe hin. Die Suppe
schmeckt wirklich super, wie Hühnersuppe - ich bin begeistert! Trotzdem, sollte ich ir-
gendwann erneut in die Verlegenheit geraten, Vögel zu jagen, müssten sie schon ein
paar Nummern größer sein, damit das Ganze am Ende mehr als bloß eine Art Gewürz
ist …
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