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GURKE UND TOMASO / 18. MAI / KURZ HINTER URALSK
Hansen
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker uns gnadenlos aus dem Bett. Heute müssen
wir unsere Kurzkur in Uralsk beenden und uns wieder auf den Weg machen. Der Kater
vom vorherigen Tag sitzt mir noch in den Knochen, aber ein bisschen Sport wird da
nicht schaden. Nachdem wir die letzten Einkäufe erledigt und uns von unserem Freund
Arslan vom Wochenmarkt verabschiedet haben, sitzen wir um etwa 15 Uhr endlich auf
dem Rad und fahren die Eurazia Avenue runter. Das Gefühl habe ich vermisst: Es ist un-
glaublich befreiend zu wissen, dass man alles dabeihat, was man braucht, wieder unter-
wegs ist, sich hinknallen kann, wo man will, und einfach immer Richtung Osten fährt.
Und draußen schlafen ist doch tausendmal besser als in einem Hotelzimmer - selbst eins
mit Perserteppichen! Von diesem Glücksgefühl getragen, fahren Paul und ich nun aus
Uralsk heraus und überqueren kurz hinter der Stadt den gleichnamigen Fluss, der als die
geografische Grenze zwischen Asien und Europa gilt.
»Goodbye Europe, hello Asia!« , ruft Paul laut.
»Bis Asien haben wir es also schon mal geschafft«, rufe ich über meine Schulter zu
Paul zurück, »Faulheit kann uns jetzt wirklich keiner mehr vorwerfen.« Die Grenze zu
Asien war nach Moskau ein wichtiger Meilenstein für uns, und entsprechend motiviert
und gut gelaunt fahren wir weiter.
»Yes, Tomato!« , schreit eine runde, gut gelaunte Kasachin von ihrem Liegestuhl am Straßen-
rand zu uns herüber. Keine 200 Meter zuvor hatte ich mit Paul die Idee, uns einen le-
benden Talisman in Form einer Pflanze zuzulegen und diese an unserem Fahrrad ranken
zu lassen. Als Weggefährten sozusagen. Als wir den Marktfrauen erklären, dass wir eine
Gurke und eine Tomate in unserem Getränkehalter platzieren wollen, sind die von der
Idee erst einmal alles andere als begeistert und ernsthaft besorgt um ihre Pflänzchen,
denn sie würden jeden einzelnen ihrer kleinen Zöglinge wie ihre Kinder lieben, erklären
sie uns. Nach ein bisschen Bitten, Betteln und Flirten lassen sie sich aber doch noch von
der Idee begeistern und helfen uns eifrig bei der Konzeption und Umsetzung. Sie suchen
im Straßengraben nach alten Plastikflaschen, diese werden unter der Rundung abge-
schnitten, die Pflanze mitsamt Erde eingesetzt und dann der abgeschnittene Teil wieder
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