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Tatsächlich, sogar bei Kindern sieht man hier Frontzähne aus Gold, das scheint ein
wichtiges Statussymbol zu sein.
»Kannst ja Mama fragen, ob die dir 'ne Schneidezahngoldmütze anfertigt. Genug
Platz zum Rüberstülpen ist ja drum herum da!«
Paul lacht sich schlapp, und ich betaste mit der Zungenspitze meine eigene Zahnlücke
zwischen den Schneidezähnen, während das Wasserglas vor mir wieder randvoll mit
samtig-weichem Wodka gefüllt wird.
TEUFELSZEUG / 16. MAI / URALSK
PAUL
Hansens Gesicht verkrampft sich. Seine Lippen sind aufeinandergepresst, die Adern auf
der Stirn treten hervor. Seine Hand sitzt fest in der von Pjet. Nachdem sich Arslan verab-
schiedet hat, hat Hansen sich von einem der Männer in der Bar zum Armdrücken breit-
schlagen lassen. Der stämmige Kasache hat meinen schlanken Bruder offenbar deutlich
unterschätzt: Vergebens versucht er, gelassen zu schauen, während Hansen seine An-
strengung nicht verheimlicht. »Ich habe ihn zwischendrin auch mal gewinnen lassen«,
wird Hansen mir am nächsten Tag sagen, »ich wollte nicht, dass er als Gastgeber blöd
dasteht.«
Kaum sind die 500 Gramm Wodka leer, die kleinste Maßeinheit, in der man den
Wodka in dieser Bar kaufen kann, ist Pjet schon wieder aufgestanden, um den nächsten
zu holen. Obwohl wir kein Russisch oder Kasachisch sprechen, verstehen wir uns den
ganzen Abend über blendend - oder wir reden aneinander vorbei, wie auch immer!
»Immer ein Glas Cola, danach einen Wodka«, gibt uns Pjet zu verstehen, »dann muss
man nicht kotzen.« Als die Bar zumacht, wollen wir nach Hause, solange wir noch kön-
nen. Zufällig wohnt Pjet aber auch in unserem Hotel, und wir kommen nicht drum her-
um, noch auf einen Absacker in die Hotelbar zu stolpern. Hier sitzen wir jetzt, und Han-
sen gibt sein Bestes, um auf dem Hocker zu bleiben. Ich halte mich mit beiden Händen
an der Bar fest und versuche, die mich eiskalt ignorierende Bedienung zu bequatschen.
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