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Euro so viel essen, wie wir schaffen. Immer wieder bringt sie Nachschlag, bis wir fast
platzen. Der Herr des Hauses besteht noch darauf, dass wir mit seinem Sohn Kontakte
austauschen. Wenn wir ihn richtig verstanden haben, will er ein Auto in Deutschland
kaufen. Das seien gute »Maschina«, meint er und klopft mit den Knöcheln seiner beein-
druckend großen Hand auf den Tisch, als ob dieser die unglaublich widerstandsfähige
Motorhaube eines deutschen Qualitätsautomobils sei.
Die Landschaft um uns herum wird immer mehr zum Steppen- und Grasland. Unvor-
stellbare Weiten, am Himmel wie auch auf der Erde. Man bekommt ein Marlboromann-
Gefühl von Freiheit inmitten dieser überwältigenden Maßstäbe, fühlt sich klein und un-
bedeutend, doch auf eine entlastende Art. Man kann verstehen, wie winzig die Rolle ist,
die man auf diesem Planeten spielt, aber auch, wie alles irgendwie zusammengehört:
Nichts von dem, was ich hier sehe, ist für mich durch einen Flug oder eine Zugfahrt von
meiner Heimat getrennt, es ist alles das gleiche Stück Erde. Meter für Meter habe ich
selbst die Verbindung abgefahren und kann bestätigen: Sie existiert. Ich glaube, das ist
etwas, das in Zeiten des schnellen Reisens verloren geht, das Verständnis, dass Orte keine
in sich abgeschlossenen, voneinander getrennten Räume sind, zwischen denen eine Zug-
fahrt oder ein Flug wie eine Brücke steht. Ich wusste, dass Moskau auf dem gleichen Pla-
neten liegt, aber wirklich begriffen habe ich es erst, als ich den Weg dorthin mit dem
Rad zurückgelegt hatte. An unserem letzten Abend, kurz vor der kasachischen Grenze,
reden Hansen und ich lange darüber. Werden wir diese Erfahrungen für unser Leben in
Berlin irgendwie nutzen können? Was nimmt man mit zurück von einer solchen Reise -
wie schnell holt einen der stressige Alltag wieder ein?
»Wir sind drin! Wir haben es geschafft!«, rufe ich Hansen zu, der mir mit einem breiten
Grinsen und Nicken antwortet. Russland hat uns gehen lassen, und Kasachstan hat uns
hineingewunken, alles ganz geschmeidig und ohne Probleme - so kann's auch gehen.
Nach ein paar Hundert Metern hält Hansen an und sieht sich um.
»Was ist?« Ich halte neben ihm.
»Paul, das war noch gar nicht die Grenzstation, schau dich mal um!«
Hansen hat recht. Das war zu früh gefreut, denn offenbar liegt zwischen der russi-
schen Grenzstation und dem Eingang nach Kasachstan ein Niemandsland von etwa drei
Kilometern. Die Straße, auf der wir fahren, ist links und rechts eingezäunt, und auf gi-
gantisch hohen Wachtürmen patrouillieren Grenzsoldaten mit Maschinengewehren. Wir
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