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hat sich gelohnt, wir haben einen wunderschönen Schlafplatz an einem verwunschenen
Flüsschen gefunden.
Als wir heute Morgen nach einem tiefen Schlaf aufgewacht sind, hören wir dumpfe
Tritte im Gras.
»Was zum Teufel ist das?«, flüstert Paul.
»Keine Ahnung, aber es scheinen viele zu sein.« Ich krieche ins Vorzelt und luge aus
dem Spalt. »Das sind Kühe! Eine ganze Herde!«, schreie ich Paul zu.
»Super, zapf uns doch mal ein Glas warme Morgenmilch!«
Als ich aus dem Zelt krieche, muhen mir die träge schwankenden Tiere freundlich zu.
Plötzlich ruft ein Kuhhirt irgendetwas in Kuhsprache, und die Herde hebt den Kopf und
muht irgendetwas zurück. Schon witzig, wie die sich offenbar untereinander verständi-
gen können. Ich versuche, eine schöne Braune »anzusprechen«, aber sie kaut einfach le-
thargisch weiter. Wahrscheinlich spricht sie kein Deutsch. Das mit der Milch wird nicht
klappen, also bahne ich mir einen Weg zum Flussufer durch die widerwillig zur Seite
wankenden Wiederkäuer, die mich anschauen, als wollten sie sagen: »Mach nicht so
einen Stress hier. Du bist schließlich nur der Gast.« Aber ich will Wasser auffüllen, bevor
die Kühe ihre Tränke erreichen und das Wasser nur noch aus Schlamm, Schnodder und
Urin besteht. Leider scheint flussaufwärts schon eine Herde am Wasser gewesen zu sein,
denn später müssen wir feststellen, dass das Flusswasser modrig schmeckt. Endlich,
nachdem uns die Münder so ausgetrocknet sind, dass das Sprechen schwerfällt, entde-
cken wir ein Häuschen in der Ferne. »Da werde ich mal nachfragen, ob ich mir ein biss-
chen Wasser abzapfen darf«, rufe ich Paul zu.
Ein alter Mann öffnet mir die Tür. Ich stammele auf schlechtem Russisch einen Satz,
in dem das Wort »Wasser« vorkommt, und als er merkt, dass ich aus Deutschland kom-
me, legt er mir seine Hand auf die Schulter und sagt in gebrochenem Englisch: »Today nith
May … - Russia win Germany!« Ich nicke und schüttle ihm feierlich die Hand. Der alte Herr
gibt mir zu verstehen, kurz auf ihn zu warten, und verschwindet. Er kommt mit einer
frisch gekühlten Fanta zurück, die er mir als Geschenk mitgibt. Was für eine nette Geste
zum 67. Jahrestag des Sieges über Deutschland!
Zurück bei den Fahrrädern, erzähle ich Paul von der Geschichte, und er findet, dass
eigentlich wir dem Herrn etwas hätten schenken sollten und nicht umgekehrt. So oder
so, ein guter Grund, heute mal einen Feiertag einzulegen. Zumindest ein bisschen.
»Es ist echt zu heiß zum Radeln, und wir waren doch gestern so super effizient.«
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