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»Ich bin froh, wieder raus aus der Stadt zu sein, Paul. Die Straße hat uns zurück.
Menschen wie Vadim findet man nicht in der Stadt.«
»Du übertreibst. Denk nur an Stanley! Wir treffen überall großartige Menschen.«
»Trotzdem, ich bin echt froh, dass wir aus Moskau raus sind«, seufzt Hansen zufrie-
den.
Wir kochen uns ein kleines Festmahl aus Rüben und Kartoffeln, ich nähe mein zerris-
senes Merinowollhemd zusammen, das sich mitten in Moskau in meinen Speichen ver-
fangen hat. Nach dem Essen räumen wir als Dankeschön die Werkstatt auf und reparie-
ren die Tür. Das ist unsere Art, uns für den Unterschlupf zu bedanken, das machen wir
seit unserer ersten Tour schon so. Wo immer wir übernachten, wird irgendetwas repa-
riert, als Gastgeschenk sozusagen. Die Hütte wackelt im tobenden Sturm so heftig, dass
ich fast Angst bekomme, sie könne in sich zusammenfallen. Der kalte Wind pfeift zwi-
schen den Planken hindurch. Wir legen uns auf die Holzpritschen, rollen uns in unseren
Schlafsäcken zusammen und schlafen ein. Wir wachen erst auf, als Vadim seinen Bagger
vor der Tür parkt und vorsichtig anklopft. Als wir ihn hereinbitten, steht er mit zwei
dampfenden Tassen Kaffee da, wünscht uns einen schönen guten Morgen und verab-
schiedet sich. »Ich gehe jetzt schlafen«, sagt er müde. »Bleibt ihr, so lange ihr wollt.«
Wir wollen früh los, aber der Tagebucheintrag fehlt noch. Das ist mühsam, aber es muss
sein. Etwas außerhalb des Tagebaus in einem kleinen Birkenwäldchen stehe ich neben
meinem Rad und tippe in mein iPhone, weil das USB -Kabel zum Handyaufladen über
die am Rad befestigte Solaranlage zu kurz ist, als dass ich mich hinsetzen könnte. In letz-
ter Zeit fällt es mir immer schwerer, am Blog zu schreiben, vor allem abends, wenn ich
nur noch tot umfallen könnte.
Hansen sitzt währenddessen im Gras und biegt an seinem Rückspiegel herum, der
links am Helm befestigt ist. Den Rückspiegel haben wir aus einer verspiegelten Sonnen-
brille und einer Speiche gebaut, um zu sehen, ob die von hinten kommenden Lkw uns
gesichtet haben oder direkt auf uns zuhalten. Der Seitenstreifen, den wir als Radweg nut-
zen, wird von den Auto- und Lkw-Fahrern oft als zweite Spur benutzt, und mit einem
Radfahrer rechnet hier keiner. Ständig weichen wir in den sandigen Graben neben der
Straße aus. Die überall in die Straße »eingearbeiteten« wilden Hunde und Katzen sind
wie Mahnmale, die einen daran erinnern, besser einmal mehr auszuweichen.
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