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nem Traum sind wir auf dem Weg nach Moskau und merken irgendwann, dass uns die
Straßenschilder mehr als bekannt vorkommen, das ist Berlin … wir haben den falschen
Weg eingeschlagen! Beim nächsten Weckerbrummen stelle ich zwar mit Erleichterung
fest, dass wir in einem Hotelbett in Moskau liegen und nicht etwa zu Hause in Berlin,
aber dennoch hat der Traum etwas in Bilder gefasst, das mich schon seit einigen Tagen
beunruhigt: Wir kommen nicht vorwärts. Das stimmt natürlich nicht, aber mir kommt
es so vor. Für meinen Geschmack sind wir noch immer nicht weit genug gefahren, und
dieser Aufenthalt in Moskau kommt mir vor wie eine unverdiente Pause, selbst wenn
meine müden Knochen mich immer wieder daran erinnern, dass sie nötig ist. Sightsee-
ing ist einfach nicht Teil unserer Tour, irgendwie steht uns das nicht, wir haben nicht
mal die richtigen Klamotten dafür. Besser am Lagerfeuer abends irgendwo Stockbrot
grillen und sich unterhalten, wortkarg oder sogar meistens schweigend und irgendwie
doch gehaltvoll. Es ist halb elf, als wir endlich aus den Betten kriechen, und Paul kann
mich davon überzeugen, dass es nicht wirklich sinnvoll ist, heute noch aufzubrechen.
Wenn man aus Moskau rausfahren und in der Wildnis campen möchte, muss man frü-
her aufstehen.
»Außerdem ist es doch toll hier, Hansen, lass uns das genießen. Wir können heute
Abend ausgehen, ist doch voll was los!«
»Voll was los? Volksaufstand, das ist los! Das würde ich nicht unbedingt Party nen-
nen!«, antworte ich.
Der russische Nationalfeiertag am 9. Mai steht kurz bevor, und die Aussicht auf einen
Staat, der sich mit stolzen Militäraufmärschen selbst feiert, erhitzt die Gemüter der Leute,
die sich von den Wahlen im Frühjahr betrogen fühlen und gegen Putins dritte Amtszeit
im Kreml protestieren. Was genau bei diesen Wahlen schiefgelaufen ist, weiß ich nicht,
aber der Unmut ist deutlich zu spüren. Überall Proteste. Ganz klar, hier passiert gerade
was.
»Und da wollen wir doch dabei sein, oder?«, hört Paul nicht auf, mich zum Bleiben
überreden zu wollen.
»Okay, du hast recht, es macht keinen Sinn, heute noch rauszufahren, aber lass uns
aus diesem mies teuren Hotel ausziehen und ein Hostel finden!«
»Super, so machen wir's. Und wenn wir eins gefunden haben, wird gefeiert!«
»Wie Sie wünschen, kleiner Bruder …«
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