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ne Laune verbessert sich etwas. Geringfügig, aber immerhin. Schöne Frauen gibt es hier
in Moskau - nach drei Wochen Kontakt mit dem Bruder, Lkw-Fahrern und ein paar
grimmigen Supermarktkassiererinnen bin ich in Flirtlaune. »Hansen, komm lass uns we-
nigstens ein paar Sachen machen, den Kreml anschauen und dann in den Gorki-Park, da
kannst du schlafen, und ich beobachte die Frauen.« Ich kann Hansen ein kleines müdes
Lachen hervorlocken. Eines übrigens, das keiner außer mir erkennen kann. Irgendein
knisterndes Signal auf unserer geheimen Zwillingsfunkfrequenz. Er willigt ein.
Nach der Kremlbesichtigung wollen wir uns ein paar Picknickutensilien im Super-
markt besorgen. Wieder warte ich bei den Rädern, während Hansen den Einkauf erledigt
(da haben wir unsere Regeln!). Ich schaue mich um - das Wetter ist mehr als okay, und
mein Magen könnte sich an die vielfältige Nahrung gewöhnen. Ja, ich bin drauf und
dran, mich von den Annehmlichkeiten einer Großstadt verführen zu lassen. Moskau ge-
fällt mir! Ich muss unbedingt irgendwann mit weniger Gepäck und mehr Zeit herkom-
men. Die Versuchung ist groß, sich in einem Hostel einzunisten und ein paar Tage das
Stadtleben zu genießen. Unser Aufenthalt gleicht mehr einer homöopathischen Dosis
Kultur als Heilmittel gegen die absolute Desozialisierung durch Zelt, meditatives Ge-
strampele, einseitige Ernährung und dürftige Hygiene. Besonders auffällig war das ges-
tern beim Einchecken im Hotel. Bis ich endlich mit meinen wirklich pennerartig ver-
krusteten und ölverdreckten Händen mit zu langen Fingernägeln meine blinkende Kre-
ditkarte über den Tresen wandern ließ, stand der Security-Mann des Hotels direkt neben
mir, beobachtete den Vorgang scharf und hielt seine Pranken bereit, um mich jederzeit
in hohem Bogen rauszuschmeißen.
Misstrauen erntet man hier oft, wenn man mit dem Fahrrad reist. Das machen nur
Leute, die wirklich arm dran sind und sich weder Gaul noch Pferdestärken leisten kön-
nen. In einer Tankstelle auf dem Land wurde ich von einem Wachmann mit einem ge-
zückten Stromschlagstock empfangen. Die Antwort der Kassiererin auf alle meine Fragen
war ein knarziges »Niet« , bis ich schließlich ohne den gewünschten Schokoriegel, für den
ich ja immerhin bezahlen wollte, die Tankstelle verlassen musste.
Hansen ist mit dem Einkaufen fertig. »Mann, ist das verdammt teuer«, knurrt er. In
der Einkaufstüte in seiner Hand befindet sich das Nötigste, dafür hat er umgerechnet 30
Euros hinblättern müssen. So viel Geld haben wir schon seit Daugavpils in Lettland nicht
mehr auf einen Schlag ausgegeben. Auf dem Weg zum Park fährt auf einmal ein Mann
neben mir an der Moskwa entlang: Er stellt sich uns als Stanley vor, ist gebürtiger Mos-
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