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Ich bin der Kommissar und muss präzise Fragen stellen, die Paul mit Nein oder Ja be-
antworten kann. »Gibt es Zeugen für ihren Tod?«
»Nein.«
»Wer hat den Mord gemeldet?«
»Du musst die Frage anders stellen!«
Es dauert bestimmt 20 Kilometer, bis ich den Fall geklärt habe: Der Freund der Frau
war abends zum Essen eingeladen, und da er kein Geschenk gekauft hatte, pflückte er am
Straßenrand einen Strauß dieser buschigen Blüten, die er für Hortensien hielt. Die Frau
freut sich, drückt den Strauß an sich und serviert das Essen. Der Mann fährt nachts zu-
rück nach Hause, duscht noch, bevor er sich zu Bett legt, und als er sich am nächsten
Tag bei seiner Freundin melden will, antwortet diese nicht. Abends findet er sie tot in
der Wohnung. Es stellt sich heraus, dass es sich bei dem Strauß Hortensien in Wirklich-
keit um den gefährlichen Riesenbärenklau gehandelt hat, der bei Berührung mit der
Haut und den UV -Strahlen des Sonnenlichts die Zellstruktur der Haut auflöst - derselbe
Effekt wie bei einer Verbrennung. Als die Frau morgens die Gardinen aufzieht und auf
dem Balkon die Blumen gießt, erkennt sie auf ihrem Oberkörper große Flächen, die sich
röten und zusehends verbrennen. Sie beginnt sich zu waschen, aber es ist längst zu spät.
»Paul, das ist aber mächtig übertrieben, oder?«, frage ich nicht ganz ohne Sorge -
denn hier in Russland wächst dieser Riesenbärenklau wie Unkraut.
»Keineswegs, das ist die reinste Vampirpflanze, supergefährlich, zersetzt in Verbin-
dung mit UV -Licht die Haut«, belehrt mich Dr. Paul.
»Und woher bitte weißt du so was?«
»Das stand in einem Blog, den jemand genau über diese Route geschrieben hat.«
»Vielleicht will derjenige sie einfach für sich allein haben und erfindet Horrorsto-
ries.«
»Probier's doch aus, du Depp«, herrscht Paul mich ein bisschen beleidigt an, weil ich
seine lebenswichtigen Tipps nicht zu schätzen weiß.
Was natürlich so nicht stimmt, denn tatsächlich sind wir, sobald wir die Straße auf
der Suche nach einem Nachtplatz verlassen, extra vorsichtig, um ja nicht mit dem Teu-
felszeug in Berührung zu kommen.
An unserem zweiten Tag in Russland ändert sich das Bild wieder. Die Wälder verschwin-
den, und brandgerodete Felder und Wiesen übernehmen mit meterhohen Flammen das
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