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»Was meint sie damit?«
»Ich weiß nicht … vielleicht sind es eingelegte Straußeneier?«
Die Frau zeigt jetzt zwischen unsere Beine und lacht.
»Ach du Scheiße!« Mir fällt es wie Schuppen von den Augen. »Das sind eingelegte
Hoden!«
Paul und die Händlerin biegen sich vor Lachen. Hoden, das ist für einen Eben-noch-
Vegetarier wie mich eine Nummer zu hart. Mir ist bewusst, dass ich es mir abschminken
kann, wählerisch zu sein, aber so lange es noch geht, verzichte ich auf Innereien, und
statt der Hoden kaufen wir eine ganze Menge von dem getrockneten Fisch. Schließlich
wollen wir wie vorgestern 140 Kilometer am Tag schaffen, wohlgemerkt auf Rädern, die
mit dem ganzen Gepäck bis zu 60 Kilogramm wiegen - und wir können unglaublich
viel essen. Manchmal, wenn wir einen Imbiss finden, in dem Piroggen verkauft werden,
isst jeder von uns fünf oder sechs große davon, und selbst die stämmigen Lkw-Fahrer
staunen, immerhin sehen wir verglichen mit ihnen aus wie langgliedrige Heuschrecken.
Auch wenn wir während der Fahrt die meiste Zeit schweigen und auf die Landschaft
oder, so wie ich gerade, auf die aufgeblähte Jacke des Vordermanns starren, denken wir
uns für jeden Abend neue Kommunikations- oder Unterhaltungsmethoden aus. Gestern
haben wir an unsere Walkie-Talkies ein Headset gelötet, und jetzt lernen wir über Funk
ein bisschen Russisch. Paul hat sich ein Vokabelprogramm heruntergeladen, mit dem
wir uns abwechselnd abfragen, während wir voreinanderher fahren.
Es surrt aus dem Lautsprecher: »Was heißt fünf, Hansen?«
Und ich antworte: »Pjat.«
Paul: »Sechs?«
Ich: »Warte, irgendwas, das klingt wie Sch…, Moment, ja, scheßt
»Brrravo!«, rasselt es aus dem kleinen Gerät. »Frag du mich was.«
Und so geht das endlos weiter. Wir erzählen uns Witze über das Funkgerät oder spie-
len das Krimispiel, in welchem einer einen Tatort beschreibt und der andere den Fall lö-
sen muss. Beim letzten Mal hat sich Paul einen besonders brisanten Fall ausgedacht: »Ei-
ne Frau liegt tot in ihrer Wohnung, auf ihrem Körper entdeckt der Pathologe große Flä-
chen verbrannter Haut, im Zimmer finden sich aber keinerlei Spuren eines Brandes. Was
ist passiert?«
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