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»No passports, no Latvia« , sagt der Grenzbeamte. Hansen und ich erklären die ganze Ge-
schichte, all die dummen und unglücklichen Umstände, die dazu geführt haben, dass
unsere alten Ausweise in irgendeiner polnischen oder litauischen Pfütze schwimmen,
und dass die frisch gedruckten inklusive aller Visa fünf Kilometer hinter dieser Grenze in
Daugavpils auf uns warten. Wir wurschteln Führerschein und Passkopien aus unseren
Radtaschen, der Grenzbeamte wiegt seinen Kopf gespielt nachdenklich hin und her und
winkt uns mit einer gönnerhaften Handbewegung durch. »Gute Reise, ihr Knallköpfe!
Und wenn ihr eure Pässe nicht wiederfindet, bleibt doch einfach im schönen Lettland,
wir können ein paar junge, gesunde Männer wie euch gut gebrauchen!«, scherzt der
Größere von beiden und gibt Hansen einen Klaps auf die Schulter.
Beschwingt setzen wir unsere Fahrt nach Daugavpils fort, und als es gerade dämmert,
erreichen wir das Hotel, in dem unsere Pässe auf uns warten sollen.
Die Frau an der Rezeption ist in ein Kreuzworträtsel vertieft, als wir uns über die Bar
lehnen. Ob in den letzten Tagen ein Päckchen aus Deutschland für uns angekommen sei,
fragen wir sie.
»Niet.« Sie schüttelt den Kopf.
Noch ein Versuch: »Entschuldigen Sie, wir erwarten ein sehr, sehr wichtiges Päck-
chen, das eigentlich hier auf uns warten sollte.«
Sie schaut auf: »Der Postbote kam heute Vormittag - nichts dabei. Ihr könnt ja war-
ten.« Uns bleibt also nichts anderes übrig, als zu warten und zwar nicht nur bis zum
nächsten Tag, denn es ist Samstag, und sonntags kommt die Post natürlich nicht.
Wir checken ein, und ich freue mich heimlich, endlich Pause zu machen und zwei
ganze Nächte unter einem warmen Federbett schlafen zu dürfen. Hansen gehen ganz an-
dere Dinge durch den Kopf: »Paul, meinst du, dieser Visatyp hat einen Fehler gemacht
und die Pässe sind von der Post abgefangen worden?« Jetzt erst fällt mir wieder ein, dass
wir einen kleinen Trick anwenden mussten, da man Passdokumente nicht mit der Post
verschicken darf. Wir haben also mit der Visa-Agentur in Berlin ausgemacht, dass sie uns
ein Buch schicken und die Pässe dort hineinlegen. »Du meinst doch nicht, dass der das
vergessen hat? Der macht doch so was sicher jeden Tag!«
»Keine Ahnung …« Hansen fängt an, nervös mit den Ringen an seiner Hand auf dem
Nachttisch herumzuklappern.
»Hör auf damit, Hansen!«, herrsche ich ihn an. »Ich rufe den Typen an, dann wissen
wir's.« Es fühlt sich schon jetzt, nach etwa zehn Tagen, seltsam an, am Telefon eine
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