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Hansen
Wie war das mit den 170 Kilometern täglich, die Paul noch auf realistische 140 runter-
geschraubt hatte? Schon der erste Tag mit diesem Vorhaben ist gründlich danebengegan-
gen, wir haben heute nicht mal 50 davon geschafft. Immer wieder holt uns etwas ein,
dass wir vor der Abfahrt vergessen haben und das noch schnell geklärt werden muss.
Hoffentlich geht das nicht so weiter.
»Hier stinkt es überall!«
»Das bist du selbst! Wir haben, seitdem wir losgefahren sind, keinmal geduscht -
schon vergessen?«, schreit mir Paul über seine Schulter zu.
»Ist klar, aber ich meine: Polen stinkt mir. Die Leute verbrennen einfach ihren Müll
überall, das muss doch supergiftig sein, zumindest riecht es so!«
»Mag sein, aber wir sind auch nicht gerade eine Wohltat für die Nasen unserer Mit-
menschen. Hast du gemerkt, wie die Leute im Supermarkt die Nase gerümpft haben?
Wie sieht's aus, sollen wir mal irgendwo klingeln und fragen, ob wir duschen dürfen?«
»Du bist gut, darauf haben die hier nur gewartet. Würdest du jemanden wie dich ins
Haus lassen?« Ich mustere Paul mit seinen staubgrauen Jeans, den ölverschmutzten Fin-
gernägeln und dem flaumigen Oberlippenbart, der eine zarte, aber keineswegs ansehnli-
che Spur über seinen trockenen Lippen bildet. Und, verflucht, ich sehe genauso aus! Ich
stimme meinem schmutzigen Spiegelbild zu, zumindest versuchen kann man es ja. Mehr
als verjagen können sie uns nicht. Wir verlangsamen das Tempo und schauen uns die
Häuser an, an denen wir vorbeifahren. Sie haben Vorgärten und sehen ein bisschen
kitschig-kleinbürgerlich aus, wie zu groß geratene Schrebergartenhäuser.
»Welches nehmen wir?«, frage ich Paul.
»Ist doch egal … guck mal, da drüben liegt Kinderspielzeug im Garten, die haben
vielleicht Verständnis für Dreckspatzen.«
Gesagt, getan. Wir parken die Räder am Gartenzaun und gehen auf dem gepflasterten
Weg auf das Häuschen zu. Wir klingeln, eine Frau mit blondvioletten Locken öffnet und
schaut nicht gerade freundlich. Bevor Paul noch »Excuse me, we just wanted to know if …« sa-
gen kann, schimpft sie los und lockt damit ihren Mann von der Fernsehcouch hoch, der
uns mit einer Drohgebärde durch den Vorgarten zurück zu unseren Rädern jagt.
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