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Ein Bilderblitz geht durch meinen Kopf mit Erinnerungen an Polen, Russland, Kirgi-
sistan, die Wüste, den Himalaja, Eis, Schnee, Hitze, Durst und Hunger. Wir fallen uns in
die Arme und stehen minutenlang ineinander verkeilt da. Nach einer Weile merke ich,
wie sich ein paar neugierige Leute nähern. Ein paar Mal erklären wir, was gerade so be-
sonders ist, beantworten Fragen, posieren für Bilder und prosten uns mit dem Champa-
gner zu, den wir aus unseren Blechdosen trinken, die uns seit Kasachstan als Kaffeetassen
gedient haben.
Ich habe mir oft vorgestellt, wie wir am Ziel in Tränen aufgelöst zusammenbrechen
würden - jetzt ist alles ganz anders. Auch wenn ich mir noch so oft sage und klarmache,
dass ich am Ziel bin, es kommt in meinem Kopf noch nicht an. Ich schaue auf die impo-
sante bunte Skyline auf der anderen Seite des Wassers und warte darauf, dass ein Emoti-
onsschwall mich packt. Aber die Erschöpfung ist zu groß. Keine Tränen, kein Freuden-
tanz. Wir stehen einfach nur da und starren fassungslos auf die überwältigende nächtli-
che Skyline.
Wie abgemacht, rufen wir unsere Schwester, unseren Vater und unsere Mutter an
und teilen ihnen mit, dass wir nach 13600 Kilometern heil angekommen sind, am Ziel
unseres größten Abenteuers.
Ein chinesischer Mann, der die ganze Geschichte erzählt bekommen will, scheint ge-
rührter zu sein als ich selbst. Ching Ching Dali besteht darauf, unsere Mutter zu spre-
chen, und als wir ihm das Telefon reichen, sagt er zu ihr: »We in China verrry proud of your
sons!« Und da passiert es, plötzlich schießt mir das Wasser in die Augen.
Der Abend endet in einer Riesenparty, bei der uns Menschen, die uns überhaupt
nicht kennen, immer wieder Drinks spendieren, mit uns tanzen und jubeln. Special
Guests des Abends in der Jazz Bar, die wir uns ausgesucht haben, ist eine Band, die sich
die Jackson Twinz nennt, ebenfalls Zwillinge, was für ein schöner Zufall.
Sieben wilde Shanghai-Tage später stehen wir mit unserem Gepäck am Flughafen. Es ist
der 5. November. »Wenn wir dieses Flugzeug besteigen, haben wir China verlassen.
Dann ist es vorbei, dann ist die Tour zu Ende«, sagt Paul, und kurz darauf sehe ich ihn
vor mir im Bauch des Flugzeugs verschwinden.
Ich stehe noch eine Weile auf der Gangway: auf der einen Seite Shanghai, auf der an-
deren Berlin. In weniger als 18 Stunden werden wir eine Strecke zurücklegen, für die
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