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und wir übrig. David erzählt von seinem Leben in China, von Frauen und wie er hier-
herkam, und wir erzählen von unserem Leben auf dem Rad.
Am nächsten Tag kommen wir erst sehr spät los. Weil wir es nicht mehr aus der riesi-
gen Stadt herausschaffen, schlagen wir unser Zelt in einem kleinen Park am Jangtsekiang
auf. Wir sind umgeben von Anglern, Sportlern und Spaziergängern. Keiner scheint sich
für die zwei seltsamen Typen mit ihrem Zelt zu interessieren, wir gehören einfach dazu.
Die Nacht verläuft ruhig.
Am nächsten Tag sehen wir einen unglaublichen Sonnenaufgang über dem riesigen
Fluss. An der Anlegestelle macht sich gerade eine Gruppe Chinesen bereit, den Fluss zu
durchschwimmen. Ein ehrgeiziges Vorhaben, ich traue meinen Augen kaum. Bevor sie
überhaupt die Flussmitte erreicht haben, sind sie mit ihren riesigen roten Bojen, die sie
zur Sicherheit hinter sich herziehen, schon so weit abgetrieben, dass sie am Horizont
verschwunden sind. Verrückt.
In den nächsten Tagen scheinen unsere treuen Tretlager langsam genug zu haben von
der Tour. In der Vorbereitungsphase mussten wir an allen Ecken und Enden sparen und
haben in der naiven Annahme, die Tretlager würden halten, entgegen der Empfehlung
unseres Radsponsors tout terrain die günstigere Variante einbauen lassen. Auch die Pe-
dallager schließen sich ihren großen Brüdern kurz danach an, aber das war zu erwarten,
denn die Lager sind nicht für derartige Distanzen gebaut. Während meine noch drohend
vor sich hinquietschen und knacken, ist Hansens Pedale so blockiert, dass sie sich vom
Pedalarm abgeschraubt hat. Mit roher Gewalt schaffen wir es, die blockierenden Kugeln
im Lager zu entfernen, und können auf diese Weise ohne Kugellager weiterfahren, aber
es wird nicht lange dauern, bis sie den Geist ganz aufgeben und wir trampen müssen.
Bisher hatten wir nicht die geringsten Probleme mit unseren Rädern, im Gegenteil. Sie
sind überaus gut durchdacht: erstens so ausgelegt, dass sogar bei über 13000 Kilometern
keine Probleme auftreten, und zweitens sind die wichtigsten Verschleißteile so genormt,
dass man sie sogar in den entlegensten Winkeln der Welt ersetzen kann. Auch unsere
Tretlager. Während Hansen bei den Rädern wartet, trampe ich zurück zum nächsten La-
den und kaufe die neuen Lager. So ist kurze Zeit später alles wieder im Lot. Weil das
Wetter schlechter zu werden droht, suchen wir uns einen Schlafplatz unter einer Auto-
bahnbrücke.
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