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ich, »das sind sicher die beschissenen Bremsbacken, die uns der Radladen in Berlin be-
stellt hat, die machen eh die ganze Zeit schon so komische Geräusche.« Wir schauen uns
die Bremsbacken genauer an und müssen feststellen, dass dieser Satz bereits nach
2000 Kilometern durch ist, während der Originalsatz 8000 Kilometer gehalten hat. Sie
sind bereits so weit abgefahren, dass Metall auf Metall schleift. Zwar hatten wir in letzter
Zeit jede Menge Berge, aber so schnell dürfen sie sich nicht abfahren. »Wir haben ein
Problem«, stellt Paul genervt fest.
»Ist Shimano nicht eine chinesische Marke?«, denke ich laut nach, »vielleicht kann
man die hier überall kaufen?« Um überhaupt noch bremsen zu können, suchen wir den
glücklicherweise aufbewahrten ersten Satz Bremsbacken raus, und stellen fest, dass bei
allen Sätzen die innere Bremsbacke weniger abgefahren ist. Mit Hin- und Hersortieren
schaffen wir es, auf alle Bremsen Backen zu montieren, die wenigstens noch einen halb-
en Millimeter Belag haben, sodass wir es hoffentlich noch bis zur nächsten großen Stadt
schaffen. »Ab jetzt einfach wie die Chinesen fahren. Nicht mehr bremsen, schont die Ba-
cken«, scherzt Paul.
Wir erreichen sicher das Tal und stellen zu unserer Überraschung fest, dass unser
GPS -Programm wohl eine ungenaue Route berechnet hat, wodurch drei ganze Pässe
komplett entfallen und wir eine weitere fast durchgehende Abfahrt von fast 20 Kilome-
tern (ohne Bremsen) vor uns haben. Das GPS berechnet die Höhenmeter anhand von
Punkten entlang der Route. Bei sehr steilen Bergen reicht aber eine Ungenauigkeit von
20 Metern, um ganze 200 Meter höher oder tiefer zu messen als die tatsächliche Route
verläuft. Auch Brücken oder Tunnel werden anhand der Erdoberfläche berechnet und
sind deshalb im Höhenprofil nicht zu erkennen. In diesem Fall waren die Fehlberech-
nungen zu unseren Gunsten, und so fahren wir durch und machen eine Mittagspause in
Lichuan. In einer der seltenen Bäckereien decken wir uns mit Keksen und einer Art Zopf
ein und essen dann in einem Restaurant eine dermaßen scharfe Suppe, dass Paul sich we-
nige Stunden später über Chili-Schmerzen im Unterleib beschwert.
»Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen«, jammert er.
»Sieh's mal so: Vor sechs Monaten wärst du nach so einem Essen ins Krankenhaus ge-
kommen!«, versuche ich, ihn aufzumuntern.
Abends finden wir endlich wieder einen schönen Schlafplatz. Die moosige Lichtung ist
von der Straße aus nicht zu sehen, und wir haben freien Blick auf eine Felswand und den
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