Travel Reference
In-Depth Information
seren Weg im Rücken der Masse fast unbemerkt zur Hauptstraße und fahren dann los.
Vorbei an einer Gruppe Chinesinnen, die, als brasilianische Sambatänzerinnen verklei-
det, mit missmutigem Gesicht vor einem Handygeschäft tanzen. Nebenan singen Kinder
ein Volkslied. Wieder ist es schwierig, ein Restaurant zu finden, in dem gearbeitet wird,
und so fahren wir knapp zehn Kilometer, bevor wir endlich ein paar gedämpfte, mit
Grieß garnierte Knochen und eine Nudelsuppe zwischen die Zähne bekommen.
Wir fahren weiter Richtung Wanzhou, die Stadt, deren weiter im Tal liegende Gebäu-
de seit ein paar Jahren durch die Flutung des Drei-Schluchten-Staudamms tief unter der
Wasseroberfläche liegen. Weil auch die Zuflüsse aufgestaut sind, liegt die von Google
vorgeschlagene Route ebenfalls unterhalb der Wasseroberfläche, und wir müssen an der
Stelle, an der die Straße im Wasser verschwindet, umkehren und einen Umweg von
knapp 20 Kilometern auf uns nehmen.
»Da ist er! Der größte Fluss der Welt!«, ruft Paul mir zu, als wir durch die engen Gassen
von Wanzhou in Richtung Uferstraße hinabfahren. Vor uns erstreckt sich entgegen mei-
ner Erwartung ein Fluss, der etwa so breit ist wie der Rhein in Köln, wenn ich es richtig
einschätze. Aber an der Art der Brücken kann man erkennen, wo die Wassermassen ih-
ren Weg finden. Sowohl die riesige Eisenbahnbrücke als auch die Autobahnbrücke über-
spannen die gesamte Distanz in einem riesigen, pfeilerlosen Bogen, von Steilufer zu
Steilufer, vermutlich, weil der aufgestaute Jangtse hier zu tief für eine vertikale Kon-
struktion wäre. Wir fahren eine Weile am Ufer entlang und kreuzen dann den Fluss in
einer geschätzten Höhe von 60 Metern auf der Autobahnbrücke. Leider gibt es wegen
der steilen Schluchten entlang des Jangtse keine Straße, also verabschieden wir uns wie-
der nach dieser arg kurzen Bekanntschaft und machen uns auf in die Berge, die allerletz-
ten Gipfel, die uns die direkte Sicht auf unser Ziel Shanghai versperren.
»Schau dich um«, sage ich plötzlich überrascht. »Fällt dir was auf?«
»Die Sonne scheint!«, antwortet Paul ebenso verblüfft.
»Genau, und der Wald, schau mal, das sind Pinien, wir sind raus aus dem Regen-
wald, raus aus dem Regengebiet, hier ist alles viel trockener!«
Sogar die Reisfelder, die in Terrassen angeordnet die Berghänge für sich einnehmen,
sind meist ohne Wasser. Das Klima ist schlagartig trockener und so viel angeneh-
mer. »Wir haben es geschafft, wir haben die Regenzeit hinter uns!«, freut sich Paul.
Search WWH ::




Custom Search