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gegebenermaßen froh über ein weiches Bett, dem Befehl des Familienvaters. Ich liege
noch lange wach und denke nach über diese Welt, in der alles so simpel und so positiv
scheint. Zwar bellen die ganze Nacht über die Hunde und rauben mir den Schlaf, doch
habe ich ein Gefühl von absoluter Geborgenheit und Frieden in mir, glücklich über die
Begegnung mit dieser Familie.
Um sieben Uhr morgens essen wir zum Frühstück, was von gestern übrig geblieben ist.
Entgegen unserer Annahme, unsere Mägen würden bei Chili zum Frühstück rebellieren,
machen sich wohlige Wärme und Energie in unseren Körpern breit: »Chili ist besser als
Kaffee!«, stellt Paul fest. Das Tal ist in einen leichten Nebel gehüllt, überall steigt Rauch
aus den Ofenrohren der Jurten, der sich in einem flachen Schleier über die Zelte
legt. Wir verabschieden uns mit ausgiebigem Umarmen und Händeschütteln von der Fa-
milie, die nicht begreifen kann, dass wir nicht zurückkehren werden. Sie können nicht
verstehen, dass unsere Tour nur in eine Richtung geht und wir aus ihrem kleinen Para-
dies wegfahren.
Ich schenke dem Herrn des Hauses noch einen Ring, den ich gestern Abend aus einer
Speiche gebastelt habe, und Paul überlässt der Frau, die ein heftiges Hüftleiden hat, seine
Krücke, die er auf dem Weg gefunden hat und die ihm seither als Fahrradstütze diente.
Die Frau kann sie besser gebrauchen - denn sie stützt sich die ganze Zeit auf einem ka-
putten Bambusstück ab, das ständig umknickt. Die Freude ist groß, und so müssen wir
versprechen, irgendwann im Leben mal wieder zu kommen. »Da oben auf dem Hügel
bauen wir unser neues Haus«, gibt uns der Vater zu verstehen. »Wenn ihr nächstes Jahr
wiederkommt, steht es schon.«
Wir fahren den ganzen Tag, schleppen uns über mehrere Pässe und werden mehrfach
vom eiskalten Regen überrascht. Der Herbst ist nicht mehr aufzuhalten. So schön die
Berge waren, so nervtötend sind sie jetzt. Es ist einfach nur noch anstrengend. Wir
schleppen uns komplett demotiviert durch die Landschaft. All das hier war vor Kurzem
noch so phantastisch und bestaunenswert, aber inzwischen ist es zum Alltag geworden.
Langweiliger Alltag. Die Menschen nerven, die Landschaft nervt, die Tiere nerven, Paul
nervt. Die Berge und Pässe hängen mir zum Hals raus. Der Höhepunkt der Tour liegt
hinter uns, und wir nehmen schon die Abfahrt nach Shanghai, die sich unendlich in die
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