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ßig Tage. Trotz der gewonnenen Zeit wollen wir noch abends losfahren, um wenigstens
ein paar Kilometer zurückzulegen und unseren ruhelosen Beine etwas Bewegung zu
gönnen. Bis wir uns ein Nachtlager suchen, ist es schon fast dunkel, und ein leichter
Nieselregen hat eingesetzt. Die Kälte dringt durch unsere Kleidung.
NACH DEM ERDBEBEN / 2. SEPTEMBER / KURZ VOR YUSHU
Hansen
»Paul«, rufe ich. Keine Antwort. »Ich habe einen Zeltplatz gefunden.« Immer noch kei-
ne Reaktion. Mir fällt unsere Abmachung ein, die wir für den Fall, dass wir auf Zeltplatz-
suche außer Rufweite kommen, getroffen haben. Ich pfeife einmal zwischen meinen
Fingern, warte kurz und pfeife erneut, diesmal etwas länger, das ist das Zeichen, mit
dem ich ihm zu verstehen gebe, dass er zu mir rüberkommen soll. Aus der tiefschwar-
zen, sternlosen Nacht schallt ein entfernter Pfiff zu mir herüber, Paul hat mich verstan-
den. Kurze Zeit später stehen wir uns wortlos gegenüber, jeder hält ein Ende des Zeltes
fest, und wir legen es auf die ausgewählte Stelle. Die Heringe versinken mit einem
dumpfen Knuspern im torfigen Boden.
»Wie ist der Boden?«, fragt Paul mit der Stimme eines überkandidelten Tantchens,
das sich erkundigt, ob das Gebäck mundet.
»So ähnlich wie ein zäher Schokoladenkuchen, mit knusprigen Splittern Zartbitter-
schokolade darin, frisch aus dem Kühlschrank. Das Zelt sollte halten«, antworte ich.
Im Laufe der Zeit haben wir uns diese Beschreibungen des Bodens angewöhnt, mitt-
lerweile läuft uns schon fast das Wasser im Mund zusammen, wenn es ausnahmsweise
mal kein steiniger, matschiger oder sandiger Untergrund ist, sondern ein zarter, weicher
Belag, der die Heringe mit regelmäßigem Widerstand aufnimmt. Ein bisschen spielt bei
dem Vergleich auch die Sehnsucht nach einem saftigen Stück Herrentorte mit, das gebe
ich zu. So eine, wie wir sie früher immer zum Geburtstag bekommen haben. Wieso ver-
zichte ich auf so etwas? Was hat in mir den Wunsch geweckt, abends im kalten Wind,
durchnässt vom Regen, mit schmerzendem Hintern auf steinigem Boden zu sitzen und
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