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In der falschen Erwartung, dass wir nun entlang des Flusses in einer gediegen abfal-
lenden Straße bis nach Yushu fahren, bewegen wir uns auf einer üblen Schotterpiste
durch das Tal. Mehrfach kommen uns Mönche in wehenden Gewändern auf ihren klei-
nen Mopeds entgegen, besonders auffällig sind die unglaublich modischen Brillen, die
sie tragen, vom Modell »Elton John«, über »John Lennon« bis hin zu »Ray Charles« ist
alles dabei. Alle grüßen sie überschwänglich, verlieren dabei kurzzeitig die Kontrolle
über ihre Fahrzeuge und schlingern dann langsam winkend an uns vorbei. Stück für
Stück tauchen wir tiefer in das nicht autonome Tibet ein.
Leider ist nicht nur der Zustand der Straße nicht so, wie wir ihn uns vorgestellt ha-
ben. Noch schlimmer ist, dass sie nicht den Fluss entlang, sondern diagonal zu den
Bergkämmen des Himalaja nach Yushu führt. »Die Straßenbauer wurden wohl nach Ki-
lometern bezahlt«, versucht Hansen gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Die be-
schwerliche Fahrt wird uns noch durch einen Husten »versüßt«, den uns wahrscheinlich
der ständige Staub eingebrockt hat. Wir fahren also langsam und durch die Nase at-
mend, um unsere Bronchien und Lungen zu schonen.
Oben auf dem Pass wird uns klar, dass die nächsten Tage keine Spazierfahrt werden.
»Wenn die Straße so verläuft, wie ich es hier erkenne«, sage ich zu Hansen, »müssen
wir bis Yushu mit mindestens acht Pässen zwischen 4500 und 4800 Metern rechnen.
Wir schaffen das so niemals rechtzeitig bis nach Garze, um unser Visum zu verlängern!«
»Uns bleibt aber nichts anderes übrig«, antwortet Hansen. »Wenn wir jeden Tag
70 Kilometer bis Yushu machen, und danach 110 Kilometer fünf Tage lang bis Garze,
sind wir drei Tage vor Ablauf der Visa da, das reicht doch«, rechnet er mir vor. Und tat-
sächlich schaffen wir an dem Tag trotz zwei hoher Pässe noch 75 Kilometer und fahren
bis in die Nacht hinein weiter. Zu allem Unglück beginnt der nächste Tag mit heftigem
Regen. Als er nicht aufhören will, beißen wir die Zähne zusammen und fahren los. Auf
der Straße ist eine tiefe Matschschicht, die die Fahrt auf anstrengende zehn Stundenkilo-
meter abbremst. Immer wieder müssen wir die Schutzbleche vom Schlamm befreien,
weil sich das Rad ansonsten schlecht dreht. Jetzt sind wir besonders froh, dass wir uns
bei der Auswahl unserer Räder für die 14-Gang-Nabenschaltung von Rohloff entschie-
den haben. Kein Dreck, kein Schlamm, kein Wasser und kein Gras kann in das herme-
tisch abgeriegelte Getriebe dringen. Egal wie widrig die Umstände sind, sie ist immer
zuverlässig.
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