Travel Reference
In-Depth Information
hätte er meine Gedanken gelesen, sagt Hansen ehrfürchtig: »Ich würde vorschlagen, dass
wir unser Zelt abseits des Yak-Highways aufschlagen.«
Es ist dämmert schon, als wir unser Zelt am steilen Ufer des Gletscherflusses aufbau-
en. Der Boden ist durchlöchert von den Höhlen der kleinen Murmeltiere. Hier und da
schauen ihre Köpfe mit schwarzen, runden Augen neugierig aus den Löchern und beob-
achten uns Fremdlinge skeptisch. Ab und zu geben sie pfeifende Geräusche von sich und
sprinten von einem Eingang zum nächsten. Erst ist ihnen unsere Anwesenheit ein Dorn
im Auge, aber nachdem sie merken, dass wir kein Interesse an ihnen haben, werden sie
wieder mutiger und fast zutraulich. Manche nähern sich uns bis auf wenige Meter. An-
dere tollen wie kleine Kinder auf einem Spielplatz umher und jagen sich hakenschlagend
durch die Dämmerung. Manchmal halten sie plötzlich inne, stellen sich auf ihre viel zu
kurzen Hinterbeinchen und recken den Kopf in den Himmel. Auch die älteren Tiere sind
zurück aus den Löchern gekommen und genießen die letzten warmen Strahlen der Son-
ne auf ihren kleinen, terrassenähnlichen Aufschüttungen vor dem Bau. Sie zwinkern ent-
spannt in das rötliche Licht und scheinen sich nicht weiter an den beiden trägen Riesen
mit ihrer Plastikhöhle zu stören. Als es dunkel wird, verschwinden sie in ihren Löchern.
Das Holz zum Kochen, das wir bei den Gebetsflaggen gefunden haben, reicht gerade
noch aus, um den Reis auf unserem kleinen Ofen zu garen. Aufwärmen müssen wir uns
im Schlafsack.
EINSAMKEIT / 29. AUGUST / QUMAHEXIANG
Hansen
Die letzten Tage haben wir in völliger Einsamkeit verbracht. Die Straße, der wir gefolgt
sind, hat sich mehrfach komplett aufgelöst und verschwand unter tosenden Bergbächen.
Wen kümmert's auch. Wer braucht schon eine Straße, wo es keine Menschen gibt?
Mehrfach sind wir mit viel Anlauf durch flache Bäche geprescht, mal mehr, mal weniger
erfolgreich. Mitunter sind die Flussbetten so matschig, dass wir darin steckengeblieben
sind und nur noch Schieben half. Mehrmals musste ich dabei an die beiden Ukrainer
