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sprechenden Abzweig zu, der uns als Ersatz für das ausgefallene Tibet dienen soll. Ein
kleines, unbefahrenes Sträßchen, genannt »Staubstraße«, das entlang der tibetanischen
Grenze verläuft. Eine Woche ohne jede Zivilisation, eine Woche ohne Lkw erwartet uns.
Der Eingang zur Staubstraße ist durch einen riesigen steinernen Torbogen markiert,
der hohe Berge und felsige Landschaften darstellen soll und in dieser weiten Landschaft
ohne Menschen etwas deplatziert wirkt. Der Blick durch den Bogen zeigt die endlose,
grasbedeckte Hochebene, gesäumt von 6000 Meter hohen, schneebedeckten Bergketten.
Der Wind schleift den Schnee auf den Gipfeln zu riesigen Wechten und bläst ihn in lan-
gen Fahnen über die Hochebene. »Das ist das Tor zu unserem Tibet«, sage ich ehrfürch-
tig, ohne zu ahnen, wie sehr sich unsere Träume hier tatsächlich erfüllen sollen.
Wir fahren ein paar Kilometer auf der verlassenen Straße, Rückenwind und Sonne
treiben uns langsam die leicht steigende Ebene hinauf. Immer wieder ist die Straße von
kleinen Bächen überspült. Heute wollen wir es nach der gestrigen Nacht noch einmal
ruhig angehen lassen, also suchen wir uns einen Schlafplatz an einem kleinen Bach, der
weitläufig die Ebene durchschlängelt.
»Wir sind da«, sagt Hansen und schaut über die Ebene, »wir haben das erreicht, wo-
von wir seit Anfang der Tour träumen!«, flüstert er. »Endlose Weite, Berge, Einsamkeit.
Schau dich um, Mann! Wir sind mit dem Rad hergefahren!« Hansen ist überwältigt.
Den ganzen Abend verfallen wir immer wieder in ein ehrfürchtiges Staunen über die
unwirkliche Schönheit dieses Ortes. Wir können unsere Blicke nicht davon lösen, und als
wir schlafen gehen, haben wir das sichere Gefühl, auf der Tour alles richtig gemacht zu
haben. Dieser Ort ist mehr als eine Entschädigung für verpasste Provinzen. Es ist der ein-
zig richtige Weg gewesen.
In der Nacht rauben uns Höhe und Kälte erneut den Schlaf, aber diesmal nehmen wir
es gelassener. Nach einem deftigen Frühstück machen wir uns auf den Weg zu dem -
im wahrsten Sinne des Wortes - Höhepunkt unserer Tour, dem Yushu-Gletscher, der
auf 5007 Meter Höhe liegt. Langsam und beschwerlich schleppen wir uns die steinige
Straße entlang, alle hundert Meter müssen wir eine Pause einlegen, um zu verschnaufen.
Wir brauchen zwei Stunden, bis wir am Ende der Straße ankommen. Zum Gletscher
muss man von hier aus noch einmal 100 Meter aufsteigen. Nach einer kurzen Pause, in
der wir von chinesischen Touristen mit Gemüse und Brot überhäuft werden, schieben
wir unsere Räder langsam den unbefahrbaren Weg hinauf. Wieder schneit es, und ein
eisiger Wind schnürt uns die ohnehin knappe Luft ab. Jetzt müssen wir schon alle
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