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zum Beispiel Schwindel, Schlaflosigkeit, Husten, Atemlosigkeit und anhaltende Kopf-
schmerzen verspürt, müssen wir sofort auf eine geringere Höhe absteigen. Was bei un-
serer Route zum Teil nicht einfach wäre - sobald wir nämlich über den 5000er-Pass
sind, werden wir uns fast durchgehend in einem Tal auf über 4500 Meter befinden. Das
bedeutet, dass die einzige Abstiegmöglichkeit bei akuter Höhenkrankheit über einen
vorherigen Aufstieg auf 5000 Meter möglich wäre, was aber fatale Folgen haben kann.
Wir müssen uns also sicher sein, dass wir auf 4500 Metern symptomfrei sind.
Als ich am 22. August aufwache, habe ich trotz der Höhe gut geschlafen, und auch Paul
scheint von der Schlaflosigkeit verschont geblieben. Da wir uns offenbar bereits in der
Wüste und in Golmud einigermaßen akklimatisiert haben, beschließen wir, den Pass
heute zu bezwingen und die übrigen 700 Höhenmeter bis auf 4800 noch bis nachmit-
tags zu fahren, um auf dem Pass ein paar Stunden Akklimatisierungspause einzulegen,
um eventuell Symptome der Höhenkrankheit erkennen und entsprechend wieder abfah-
ren zu können. »Aufregend«, sagt Paul. »Das ist jetzt richtig abenteuerlich.«
Die Tatsache, dass wir nach dem Pass für mehr als eine Woche in kein Dorf kommen
werden, hat dafür gesorgt, dass unsere Räder schon seit Golmud übermäßig schwer be-
packt sind. Grundversorgung, kein Gramm zu viel, aber das reicht. »Ausgerechnet den
höchsten Pass fahren wir mit den vollgepacktesten Rädern«, mault Paul.
Je höher wir kommen, desto langsamer und meditativer wird mein Rhythmus. Man
gerät in eine Art Trancezustand. Manchmal muss ich trotz bedachtem, langsamem Fah-
ren anhalten, um zu verschnaufen. Sogar kleine Bewegungen wie das Absteigen oder
Trinken bringen einen außer Atem. Als ob die dünne Luft noch nicht genug wäre, fängt
es auf etwa 300 Höhenmetern vor dem Pass an zu schneien. Schnell versuchen wir, Un-
terschlupf unter der 30 Meter hohen Eisenbahnbrücke zu finden, die die sich in Serpen-
tinen den Berg hinaufwindenden Gleise dicht an die Straße heranführt, aber das Schnee-
gestöber und der Wind verwirbeln sich unter der Brücke und kommen von allen Seiten.
Es macht keinen Sinn anzuhalten. Wir packen alles wasserdicht ein und fahren weiter.
Ein Blick auf meinen Höhenmesser sagt mir, dass es nicht mehr weit sein kann. Die
Schneewolken verdecken die Sicht auf die Gipfel, und auch die Straße verschwindet dar-
in. So haben wir uns unser Himalaja-Erlebnis nicht vorgestellt.
»Was haben wir immer für ein Pech mit Pässen«, schimpft Paul. »Immer regnet oder
schneit es, wenn wir oben ankommen.«
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