Travel Reference
In-Depth Information
das Gesicht ist geschützt mit dem Schirm einer Schiebermütze, den wir an dem Helm
befestigt haben. Das Abenteuertuch ist wie in der Wüste über die Nase gezogen. Die Luft
ist schon sehr dünn, und das Tuch vor dem Gesicht macht das Atmen nicht angenehmer,
aber wir wollen keinen weiteren Sonnenbrand und rissige Lippen riskieren. So ver-
mummt fahren wir schnaufend und ächzend die langsam aber stetig steigende Bergstra-
ße entlang. Immer wieder fährt die Tibet-Bahn an uns vorbei. Wir winken und bekom-
men tatsächlich ein Hupen als Antwort zurück.
Wir sind auf fast 4000 Meter Höhe. Der tiefblaue Himmel über den Gipfeln ist so
wolkenlos, dass man das Gefühl hat, man würde direkt ins Weltall schauen, nur ein
großes, blaues Nichts über den schroffen Felsen. Paul und ich sprechen kaum ein Wort
miteinander, das Bergauffahren in der dünnen Luft beansprucht jede Kraftreserve.
Als wir gerade 4100 Meter erreicht haben, traue ich meinen Augen nicht: Vor uns
türmt sich eine riesige Düne auf. »Ich dachte wir hätten die Wüste hinter uns«, sage ich
in gespielt verzweifeltem Ton. Das Bild ist wirklich zu bizarr. Wir haben die 30 Meter
hohe Wanderdüne quasi in flagranti dabei ertappt, wie sie eine Telefonleitung ver-
schlingt, der Mast ist noch halb zu sehen, das Kabel verschwindet im Sandberg. »Die
halten wir auf!«, sagt Paul. Wir schlagen unser Nachtlager direkt zu ihren Füßen auf.
Bis auf die Atemlosigkeit beim Radfahren macht uns die Höhe erstaunlich wenig zu
schaffen, leichte Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, aber ansonsten geht es uns prächtig.
»Aber du musst bedenken, dass wir fast die gesamte Strecke in der Taklamakam-Wüste
schon auf über 2000 Meter Höhe waren«, gibt Paul zu bedenken. »Stimmt und vor Gol-
mud waren wir sogar schon auf knapp 3000.«
Unsere Körper haben sich langsam an dünnere Luft und weniger Druck gewöhnen
können. Trotzdem wollen wir heute nicht weiter, um es nicht zu übertreiben. Die
5000 Meter laufen uns nicht davon. Laut der Gesellschaft für Berg- und Expeditionsme-
dizin, in deren Website wir uns in Golmud vertieft haben, leiden über 75 Prozent aller
Bergsteiger bei einem schnellen Aufstieg auf eine Höhe von über 3000 Metern an der
Höhenkrankheit. Der Körper versucht, den Sauerstoffmangel in ungewohnten Höhen
durch schnelleres Atmen und einen gesteigerten Ruhepuls auszugleichen. Im schlimms-
ten Fall können durch den Sauerstoffmangel und den erhöhten Blutdruck in Lunge und
Hirn lebensgefährliche Ödeme entstehen. Wir müssen uns also vorsichtig an die Höhen
herantasten und uns gegenseitig und selbst beobachten. Wenn einer von uns beiden
Search WWH ::




Custom Search