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DIE WÜSTE
Kargilik bis Golmud
SAND / 24. JULI / KURZ NACH KARGILIK
PAUL
Als wir Kargilik zum zweiten Mal verlassen - diesmal in Richtung Wüste, fühle ich, wie
die Unsicherheit der letzten Tage an meinen Reserven gezehrt hat. Die körperliche An-
strengung war die eine, gut zu bewältigende Seite, die nervliche Anspannung war grenz-
wertig. Wir haben von vielen Seiten aufmunternde Nachrichten bekommen, und beson-
ders eine E-Mail meiner Schwester Lilli hat mir sehr geholfen, mich mit der »Alternativ-
route« anzufreunden. Sie schreibt: »Alleine, dass ihr es trotz aller ›Das geht nicht‹ ver-
sucht habt, spricht für euch! Ihr seid Träumer und Kämpfer, und das wird euch bis nach
Shanghai und auch sonst im Leben weit bringen. Und ihr werdet auf der anderen Route
Dinge erleben, die ihr später nicht missen wollt! Also ist alles richtig. Ihr seid so oder so
auf eurem Weg.« Ich habe plötzlich das Gefühl, wieder zu wissen, warum ich eigentlich
auf dem Rad sitze.
»Von Berlin nach Shanghai mit dem Rad«, murmele ich vor mich hin. »Was?«, brüllt
Hansen von hinten. »Von Berlin nach Shanghai mit dem Rad«, wiederhole ich lauter, und
Hansen nickt nur: Er weiß genau, an was ich gerade gedacht habe.
Schlagartig endet die Oase um Kargilik, und vor uns erstreckt sich so weit das Auge reicht
ein karger, graugelber Sandboden. Die Straße verschwindet am Horizont in dem staubi-
gen Dunst, der seit dem letzten Sandsturm die gesamte Gegend verhüllt. »Das wird kein
Zuckerschlecken«, sagt Hansen und zieht sich sein Abenteuertuch bis auf die Nasenwurzel
hoch. Seines ist rot-weiß kariert, meines ist blau mit weißen Punkten. »Abenteuertücher«
heißen sie, weil wir sie als kleine Kinder von unserem Opa, dem Seemann, geschenkt be-
kommen haben. »Die sollen euch auf all euren Reisen begleiten«, sagte er und fügte
schelmisch hinzu: »Außerdem kann ich euch so besser auseinanderhalten.« Meines ist im-
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