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Nach 600 Höhenmetern und 60 Kilometern machen wir eine Mittagspause. Ständig
begegnen uns chinesische Radfahrer, die im Gegensatz zu uns ohne Probleme an ein
Tibet-Visum kommen. Vor dem Dorf, das wir noch durchqueren wollen, bevor wir uns
einen Schlafplatz suchen, entdecken wir plötzlich einen Checkpoint.
Paul bremst vor mir ab: »Was jetzt?«, fragt er unsicher.
»Wie abgesprochen: ruhig drauf zu fahren, freundlich grüßen und gucken, was pas-
siert. Aber nicht panisch abbremsen, Mann! Auffälliger geht's ja wohl nicht«, gebe ich
angespannt zurück.
Zügig und zielsicher fahren wir also weiter auf den Checkpoint zu. Ein Soldat tritt
heraus, wir grüßen freundlich mit »Ni hau« und dürfen zu unserer Erleichterung einfach
passieren. Wie immer schlägt mir das Herz bis zum Hals, langsam entfernen wir uns
und schauen uns an: Wir haben beide gemerkt, dass die Kontrollen hier zunehmen.
Aber tun wir bereits etwas Illegales, oder sind wir nur die Einzigen, die nicht auf die
chinesischen Einschüchterungsversuche hereinfallen?
»Noch haben wir nichts Verbotenes gemacht«, versucht Paul zu relativieren.
Am 21. Juli stehen wir früh auf - heute wollen wir die 80 Kilometer bis zum Check-
point Kudi schaffen. Alles ist nass vom Tau, und ich scheitere zum ersten Mal daran, ein
Feuer zu entfachen. »Heute gibt's keinen Kaffee«, teile ich Paul missmutig mit. Der Kaf-
fee am Morgen ist ein fester Bestandteil des täglichen Rituals, und meine Ankündigung
verbreitet entsprechend schlechte Laune. Als ob das noch nicht genug ist, verspüre ich
ein wahnsinniges Ziehen im Kreuz, als ich mich wieder aufrichten will. Ich bleibe über
dem Kocher gebückt stehen und halte mir den Rücken: »Scheiße, ich hab mich ver-
renkt!«, fluche ich laut.
Der Tag scheint gelaufen. Paul macht mir ein Lager in der Sonne zurecht und verpasst
mir Schmerzmittel zur Entspannung. Während er Zelt und Schlafsäcke zum Trocknen
auslegt, liege ich auf dem Rücken und versuche, eine bequeme Position zu finden, aber
trotz der Schmerzmittel wird es nicht besser.
Nach etwa drei Stunden kann ich mich gar nicht mehr bewegen. Paul hockt stumm
neben mir und starrt in die unwirkliche Landschaft, karge Berge, Sanddünen, kein Haus
weit und breit. Ich sehe ihm seinen Unmut an, aber im Gegensatz zu mir lässt er ihn
nicht an seinem kranken Gegenüber aus. Ich weiß ganz genau, was sein Blick bedeutet:
Wenn wir Pech haben, müssen wir unseren Umweg nach Tibet vorzeitig abbrechen, um
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