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und krache im Anschluss mit voller Wucht in meinen Sitz zurück. Ich hätte ihm gern ge-
sagt, dass uns unsere Leben doch wichtiger seien, als rechtzeitig den Checkpoint zu er-
reichen, aber Asy versteht weder Russisch noch Englisch noch Deutsch, er weiß nur eins:
so schnell wie möglich. Und tatsächlich, nach fast fünfeinhalb Stunden Buckelpiste kom-
men wir rechtzeitig an - genau eine halbe Stunde vor Ablauf der Einreisezeit. Eilig laden
wir die Räder aus, verabschieden uns und rennen in die Grenzstation. Ganz gelassen sit-
zen dort in einer riesigen Halle an dem einzigen geöffneten Schalter zwei Grenzbeamte.
Der eine schläft, der andere spielt Solitär. Nachdem wir ihre Aufmerksamkeit auf uns
lenken können, nimmt der soeben Aufgewachte die Pässe und legt sie neben den Solitär-
spielenden auf den Tisch. Dieser lässt sich aber nicht beirren, und spielt in aller Seelenru-
he weiter. Wir weisen den Beamten ungeduldig auf unsere Eile hin und zeigen auf die
Uhr, die uns mittlerweile nur noch wenige Minuten zur Einreise lässt. Der Mann zeigt
Verständnis und bringt seinen Kollegen dazu, sein Spiel kurz zu unterbrechen. Lange
und ausgiebig betrachtet er die Seiten der Dokumente, pult mit seiner anderen Hand
zwischen seinen Zähnen und findet besonderes Interesse an den vielen Visa in unseren
Pässen. Endlich greift er zum Stempel und macht kurzerhand unseren Aufenthalt in Chi-
na offiziell. Ich sehe zur Uhr hoch, 17 Uhr 42, 18 Minuten vor Ablauf unseres Visums.
Und da sind wir nun in Ulugqat, dem gültigen Grenzposten für die Einreise, ganze
sechs Autostunden im Innern des Landes. Vor zwei Tagen dachten wir noch, wir müss-
ten aufgeben.
Paul liest meine Gedanken: »Ja, wir haben es mal wieder geschafft. Wahnsinn, wie
sich mitunter alles zum Guten wendet.«
Ich nicke: »Wir sind in China, überleg mal, wie weit von zu Hause das ist - was wir
schon alles hinter uns gebracht haben.«
»In China, und doch haben wir erst die Hälfte, Hansen, erst die Hälfte.«
Wie unterschiedlich man diesen Satz auch verstehen kann - im Moment ist es die
schönste Nachricht des Tages.
TIBET / 13. JULI / KASHGAR
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