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Fieberwahn ist. Die Matratze und das Bettgestell, auf dem ich liege, sind knapp einen
halben Meter zu kurz und hängen extrem durch. Um mich herum schwirren Moskitos,
weil die zerrupfte Fliegengaze am Fenster sie freundlich durchwinkt. Der Weg zur
nächsten Toilette kommt mir vor wie eine halbe Weltreise, aber als ich dort ankomme,
kehre ich um, um mir zumindest Schuhe anzuziehen - die letzten Meter vor der Klobril-
le steht die Scheiße und Pisse in einer großen, tiefen Pfütze, Klopapier gibt es nicht und
auch keine Möglichkeit, sich die Hände zu waschen. Wo bin ich hier gelandet? Wer holt
mich hier raus? »Hansen?«, jammere ich flüsternd. »Hansen!« Ich muss mich erneut
übergeben. Mehr kriechend als laufend schleppe ich mich ins Zimmer zurück. Einfach
nur durchhalten, einfach nur warten, bis das Fieber weggeht, und dann nichts wie raus.
Genauso unmöglich, sich vorzustellen, wie es ist, richtig krank zu sein, ist es, sich vor-
zustellen, man sei wieder vollkommen bei Kräften, wenn man erstmal richtig danieder-
liegt. Im Traum falle ich von einem Heuwagen und ein nachfolgender Laster droht, über
mich hinwegzufahren. In Wirklichkeit hab ich mich im Schlaf aus meiner verschwitzten
Matratzengrube befreit und bin aus dem Bett gefallen. Als ich zurückklettern will, fällt
mir auf, wie gruselig die Matratze unter dem weggerutschten Laken aussieht, Blut- und
Urinflecken verzieren ihre Mitte … Egal wie es mir morgen geht, ich will nichts wie
raus.
»Hansen, hol mich hier raus, mir geht's besser, wirklich!« Ich rufe meinen Bruder um 5
Uhr morgens an, kaum dass ich aufgewacht bin. Mir geht es tatsächlich besser. Das Fie-
ber ist auf 38 Grad gesunken, ich sehe keinen Grund, noch länger zu bleiben, das Kran-
kenhaus selbst ist doch die reinste Virenhölle. Hansen ist zwei Stunden später da und
spricht mit dem Arzt über meinen Zustand. Irgendwann schließt der Doktor die Tür und
stellt sich davor, um Daumen und Zeigefinger aneinanderzureiben, das Zeichen für Bak-
schisch. Zwar war der Betrag mit umgerechnet fünf Dollar lächerlich klein für einen
Krankenhausaufenthalt, und wir hatten ja auch gestern schon angekündigt, dass wir zah-
len würden, aber die Art, wie das Ganze ablief, war doch eher so zu verstehen, dass die
Behandlung nur für das Bakschisch und nicht zu meinem Wohle geschehen war, zumal
der weitere Krankheitsverlauf die Wirkungslosigkeit des Aufenthaltes im Krankenhaus
zeigte. Nachdem wir wieder bei unseren eigentlichen Rettern, der fürsorglichen Familie
am Rastplatz-Café ankommen, werden wir bekocht und bewirtet wie die eigenen Kin-
der. Leider steigt das Fieber bei mir zum Abend erneut knapp bis an die 40-Grad-Grenze
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