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Bei unseren Vorbereitungen haben wir das Thema Krankheit, Unfall etc. ziemlich op-
timistisch behandelt. Klar haben wir uns impfen lassen, haben mit dem ärztlichen Rat
unseres Vaters ein Erste-Hilfe-Paket geschnürt - aber was, wenn man damit nicht wei-
terkommt? Was, wenn sich einer von uns, sagen wir bei einem Sturz, das Bein bricht?
Dann sind wir am Arsch. Ich streiche dem schlafenden Hansen über die Haare und fange
vorsichtig mit dem Packen an, in der Hoffnung, dass er bald fit genug ist, um aufzubre-
chen. Zu lange Pausen können wir uns einfach nicht leisten. In neun Tagen müssen wir
nach China einreisen, sonst verfällt das Visum …
Eben noch habe ich mich um Hansen gekümmert, jetzt liege ich im Krankenhaus in
Tash-Kömür. So schnell kann kommen, wovor ich mich heute Morgen noch gefürchtet
habe. Am Nachmittag ging es Hansen besser, sodass wir beschlossen, zumindest noch
die Halbinsel zu verlassen, um ein kleines bisschen weiterzukommen und vor allem, um
neues Wasser zu besorgen. Kurz nachdem wir wieder auf den Rädern saßen, bekam ich
teuflische Gliederschmerzen und habe mich extrem schwach gefühlt. Für eine Pause aber
die falsche Gegend: weit und breit kein Schatten, glühende Hitze und vor allem: nir-
gends Trinkwasser! Also schleppte ich mich auf der sich entlang des Flusses in den Steil-
hang gearbeiteten »Küstenstraße« beständig hoch und runter, bis wir endlich ein Café
erreichten. Ich hätte keinen Zentimeter mehr weiterfahren können, hab mein Rad fallen
gelassen und mich auf eine Bank unter dem Sonnendach gelegt. Hansen kramte in der
Tasche nach dem Fiebermesser. 39,5 Grad. Ich lag noch weitere drei Stunden auf der
Bank und fröstelte trotz der Hitze, Hansen gab mir Ibuprofen, aber als das Fieber auf
über 40 Grad anstieg, hörte ich ihn nur noch »Krankenhaus« murmeln. Er muss die
Leute vom Café gerufen und ihnen die Lage erklärt haben - ich hab von all dem in mei-
nem fiebrigen Halbschlaf nur noch wenig mitbekommen. Man bestrich meine Brust mit
Wodka, ein Hausmittel gegen Fieber, wickelte mir kalte Tücher um die Waden und den
Kopf, und irgendwann steckte jemand seinen Finger in meinen Mund und meinte auch
so etwas wie »Hospital«. Oder hab ich das bloß geträumt?
Die circa 20-minütige Fahrt zum nächsten Krankenhaus war schrecklich, ich lag hin-
ten zusammengekrümmt auf der Rückbank eines klapprigen Mercedes, der über
Schlaglöcher und die sich windende Küstenstraße fetzte, ohne jemals abzubremsen.
Mehrfach musste ich mich in eine Tüte übergeben, die Hansen mir hinhielt, der immer
und immer wieder mit leiser und besorgter Stimme fragte: »Alles okay, Paul?«
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