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in Beziehung setzt. Hier könnte Cognitive Computing Ansatzpunkte liefern, zumal das
Wissen des Cognitive Computing überwiegend noch in problemorientierten, meist inter-
disziplinären Forschungsprojekten verwendet wird. Möglicherweise hat die Disziplin des
Cognitive Computing das Potential, diese Forschungprogramme bzw. die gesamte Ko-
gnitionswissenschaft nicht nur zu technologisieren. Sie könnte sich auch zu einer Leit-
disziplin einer technologisierten Kognitionswissenschaft in Form eines kognitivistischen
Konstruktivismus entwickeln und als solcher der nach wie vor heterogenen Forschung als
Medium bzw. Mediator dienen.
Dies ist allerdings nicht nur hinsichtlich der Forschungsprogramme zu wünschen, son-
dern stellt unter Umständen eine dringende Notwendigkeit dar. So befinden wir uns aktu-
ell in einer Phase der rasanten technologischen Veränderungen und der Speicherung enor-
mer Datenmengen. Dabei zeichnet sich in einigen Bereichen der Informatik, die unsere
Lebenswelt in nicht unerheblichem Maße bestimmt, ein schleichender Wechsel, weg vom
klassischen Algorithmus hin zum lernenden Algorithmus, ab. Dies hat zur Folge, dass
das Sammeln und Speichern im Vordergrund steht und dabei eine Theoriearmut bewusst
in Kauf genommen wird. Mit anderern Worten, es geht nicht um die Entwicklung von
Theorien und auch nicht um die Frage, zu welchem Zweck man diese Daten sammelt, die
Machbarkeit und die Präsentation der auf diesem Wege erzielten Ergebnisse steht viel-
mehr im Vordergrund und wenn sich durch diese Machbarkeit sozusagen als Seitenef-
fekt der Sinn des Ganzen erst nachträglich oder vielleicht auch gar nicht erschließt…„so
what?“ Einer solchen deformierten Problemlösungsstrategie gilt es, verantwortungsvoll
gegenzusteuern und dazu kann Cognitive Computing die notwendigen Grundlagen zur
Entwicklung von kognitiven Theorien zur Verfügung stellen.
Insgesamt ist zu erwarten, dass die Technologisierung des Alltags und der Wissen-
schaften nicht nur die Welt, sondern auch die Sichtweisen auf diese und den Menschen
nachhaltig verändern wird. So wie die bloße Existenz des Fernrohrs - als Beispiel einer
frühen Technik - die Kultur des Sehens im Ganzen und die kulturellen Wahrnehmungsfor-
men verändert hat, werden auch die Fortschritte der technologisierten Kognitionswissen-
schaft das allgemeine Bild vom Menschen tiefgreifend verändern. Dies zeigt sich in ersten
Ansätzen daran, dass klassische Problem- und Fragestellungen aus einer neuen Perspek-
tive betrachtet bzw. neu gestellt werden müssen: Wie soll man sich aufgrund der Kogni-
tionstechnologie die Beziehung zwischen Gehirn und Bewusstsein denken? Gibt es noch
so etwas wie eine Seele oder eine Persönlichkeit? Was bleibt noch von der Willensfreiheit
und Autonomie des Menschen? Aber auch: Muss das Rechtssystem in Anbetracht der Tat-
sache, dass Systeme mit einer artifiziellen Kognition ausgestattet werden, an die neue
Faktenlage angepasst werden? Wer wird die Verantwortung tragen, wenn autonome Sys-
teme trotz oder wegen derer inhärenter artifizieller Kognition zum Schaden von Menschen
entscheiden und entsprechend handeln? Die notwendige Auseinandersetzung mit solchen
(alten) Fragenstellungen und die daraus resultierenden (neuen) Antworten könnten be-
reits ein verändertes Gesamtbild des Menschen und seiner Welt ergeben. Ein wesentlicher
Punkt dabei ist, dass auch die mit einer artifiziellen Kognition ausgestatteten Systeme und
deren Einbettung in Experimente und Alltag selbst aktiv und autonom auf diesen Ver-
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