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System oder dem Symbol versagt bleibt. Weiterhin wird durch diese Sichtweise zum Aus-
druck gebracht, dass der Entwickler eines solchen Systems seine Sicht- und Denkweise
über Symbole und Abläufe abbildet, ohne sich dabei unter Umständen bewusst zu sein,
dass er bereits mit dieser Reflexion seine Sichtweise zum abzubildenden Problem beein-
flusst bzw. einen durch diese Reflexion eigens bedingten Zugang zur Problemstellung
sich eröffnet. Kybernetisch gesprochen gestaltet sich der Erkenntnisprozess in Form eines
zirkulären Regelprozesses, indem jedes Verstehen von seinem Vorverständnis des Ver-
stehenden geprägt ist.
Weniger philosophisch und mehr bildlich gesprochen besagt dies, dass der Modellie-
rer und Entwickler eines Systems seinem Schatten des Vorverständnisses nicht entfliehen
kann. Ebenso kann er dem notwendigen In-der-Welt-sein nicht entrinnen, will er ein Pro-
blem zum Zwecke einer Lösungsfindung verstehen. In Anlehnung an diesen Sachverhalt
und Wittgensteins „Philosophische Untersuchungen“ lässt sich die folgende Hypothese
formulieren:
Die Darstellung der Realität durch Symbole ermöglicht unter Umständen nur eine Annäherung an
diese Realität. Ein Verstehen ist daher nur über einen pragmatischen Zugang und dort über das Ver-
stehen von Syntax und Semantik zu dieser Realität möglich.
Diese Hypothese postultiert demnach einen „Bottom-Up-Zugang“ zur Realität. Die klas-
sische Künstliche Intelligenz versucht bisher, die Ebene der Pragmatik und der Semantik
durch die Syntax zu ersetzen und überspringt damit die unbedingt notwendige Basis der
Pragmatik. Durch diese Unmöglichkeit, die Realität in einer rein symbolischen Reflexion
einzuholen, scheint den symbolverarbeitenden Systemen nicht nur etwas Wichtiges zu
fehlen, sondern sie erreichen derzeit die Grenzen der symbolischen Darstell- und Ver-
arbeitbarkeit. In vielen Problemstellungen sind diese Grenzen sogar bereits überschritten
und die Möglichkeiten der formalen Systeme erschöpft. Wenn sich dennoch der klassische
Ansatz der Künstlichen Intelligenz über die Epochen hinweg behaupten konnte, lag das
sicherlich auch daran, dass man bisher nicht über die geeigneten Formalismen, Modelle
und Technologien verfügte, um weitere Aspekte des menschlichen Erkenntnisvermögens,
wie beispielsweise Gefühle, Vermutungen, spontane Assoziationen, einer computationa-
len Verarbeitung zuzuführen.
Die bisherige Kritik hat gezeigt, dass der symbolische Ansatz bzw. die symbolische
Verarbeitungsmethode für gut formalisierbare Problemdomänen ausreicht. Für die weni-
ger gut formalisierbaren Problemdomänen bzw. für die ansteigende Komplexität neuer all-
täglicher Anforderungen wird in Zukunft ein adäquates Modell für Künstliche Kognition
notwendig und erforderlich sein. Es gilt also im weiteren Verlauf dieses Buches eine Auf-
fassung von Kognition so zu entwickeln, dass sie zum einen eine erkenntnistheoretische
Bereicherung mit sich bringt und zum anderen dem interdisziplinären Diskurs standhält.
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