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Egal welche Gründe es hat, jedenfalls sind die Schweizer Meister des Recycling. Bei
Batterien beispielsweise haben sie eine Rücklaufquote von 69 Prozent gegenüber 44,4 Pro-
zent in Deutschland und schäbigen drei Prozent in Großbritannien.
Aber wenn Mr. Joe Brit seine alten Batterien (und Glühbirnen und Coca-Cola-Fla-
schen) einfach beim nächsten Einkauf im Supermarkt abgeben könnte, wäre die Quote in
meinem Heimatland wahrscheinlich auch höher. In der Schweiz sind die Händler außer-
dem gesetzlich dazu verpflichtet, leere Softdrinkflaschen zurückzunehmen; die Entsor-
gungskosten werden also den umsatzstarken Supermarktketten aufgebürdet statt den
klammen Kommunen. Theoretisch ist es genauso wie in Deutschland, nur dass dort man-
che Flaschen wiederverwendbar sind (die Pfandflaschen), manche recycelt und andere
einfach weggeworfen werden. Ausnahmsweise machen es sich die Schweizer einfach.
Aus den PET -Flaschen entsteht dann alles Mögliche von Eierkartons bis hin zu Fleece.
Wussten Sie, dass man aus 25 PET -Flaschen eine Fleecejacke herstellen kann? Mit sol-
chen Fakten wirbt die Recyclinglobby, und offensichtlich funktioniert es.
Groteske Formen nimmt das Recycling auf Schweizer Friedhöfen an. Auf einem
Schweizer Friedhof ist die große Mehrheit der Gräber keine 25 Jahre alt, was zumindest
teilweise erklärt, dass alle so gepflegt aussehen. Mit Ausnahme der meist käuflich erwor-
benen Familiengräber wurden die allermeisten Grabstätten für zwanzig bis 25 Jahre ge-
mietet, und die Grabpflege ist Teil des Vertrags. Danach wird der Platz erneut genutzt,
häufig von der nächsten Generation derselben Familie. Sogar der Grabstein wird recycelt,
wenn die Familie ihn nicht behalten will. Und fragen wir uns einmal ehrlich, was fängt
man schon mit Omis Grabstein an? In die Wohnzimmerecke will er nicht so recht passen.
Vielleicht als Hingucker im Garten? Ungewollte Grabsteine werden zu Schmuckkieseln
und Schotter verarbeitet. Eine völlig unsentimentale und bei Platzmangel enorm prakti-
sche Lösung. Schließlich ist die Schweiz klein und will kein kostbares Land für Tote ver-
geuden.
Einen Ort gibt es allerdings, wo den Toten eine Menge Platz eingeräumt wird, und
zwar in den Zeitungen. Die Todesanzeigen hier sind eindeutig keine verschämten Drei-
zeiler - friedlich dahingegangen, schmerzlich vermisst, bitte keine Kränze und Blumen,
so was in dieser Art.
In der Schweiz wird für die Anzeige eine Viertelseite schwarz gerändert, sie enthält ein
passendes Zitat, die Adresse des Dahingeschiedenen, Details zur Beerdigung und die Na-
men sämtlicher trauernder Anverwandten. Das Sterben ist in der Schweiz eine wichtige
Sache, nicht zuletzt für die großformatigen Zeitungen, die den Toten, egal ob Protestan-
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