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Religionskriege
In den drei Jahrhunderten nach Zwinglis Tod war die Schweiz so zersplittert wie alle Län-
der Europas. Zwar gelang es den Schweizern, sich aus großen Konflikten wie dem Drei-
ßigjährigen Krieg herauszuhalten, doch dafür kämpften sie mehrmals gegeneinander. Man
kann sich zwar nur schwer vorstellen, dass Schweizer auf irgendjemanden, geschweige
denn aufeinander losgehen, doch bis vor 160 Jahren kam das durchaus vor. Im November
1847 endete das letzte Gefecht der Katholiken mit einer Niederlage im Sonderbundskrieg,
einer ziemlich zivilisierten Auseinandersetzung, die keine vier Wochen dauerte und weni-
ger als hundert Menschenleben kostete. Sieben katholische Kantone hatten sich zu einem
»Sonderbund« zusammengeschlossen, um sich der angeordneten Ausweisung der Jesuiten
und der Liberalisierung des Landes zu widersetzen. Das war natürlich ein streng geheimes
und höchst illegales Unterfangen (gar nicht typisch Schweiz!), und als die Protestanten ih-
nen auf die Schliche kamen, reagierten sie nicht gerade erfreut. Ja, sie waren so indigniert,
dass sie, angeführt von General Dufour und seiner neuen rot-weißen Fahne, bei ihnen ein-
marschierten, und noch vor Weihnachten war der ganze Spuk vorbei.
Natürlich ging es bei dem Krieg nicht in erster Linie um Religion. Was als Gezänk um
die immerwährende Jungfräulichkeit Marias und den priesterlichen Zölibat begonnen hat-
te, wuchs sich zu einem Machtkampf aus. Die vorwiegend ländlichen katholischen Kanto-
ne waren hinter die eher städtischen protestantischen zurückgefallen, in denen man Reich-
tum für gottgefällig hielt. Zu ihrem Aufschwung hatte zudem beigetragen, dass im Lauf
der Jahrhunderte mit den protestantischen Flüchtlingswellen aus Frankreich, Italien und
England auch Fachkenntnisse in der Textil- und Uhrmacherbranche und im Bankwesen
hereingeschwappt waren. Dazu eine Menge hart arbeitender Menschen, denen ihre Tätig-
keit nicht nur weltlichen Gewinn brachte, sondern auch im Jenseits angerechnet wurde -
die protestantische Arbeitsmoral.
Man muss den Protestanten zugutehalten, dass es ihnen dann nicht um Rache, sondern
um einen dauerhaften Frieden ging, auf dem sich unabhängig vom jeweiligen Glauben ein
Land für alle aufbauen ließ (mit Ausnahme der Jesuiten, die bis 1973 verbannt blieben). Ei-
ne neue Verfassung, eine neue Föderation und eine neumodische Idee namens Referendum
schufen ein einzigartiges politisches System, das bei der Entstehung der modernen
Schweiz eine grundlegende Rolle spielte. Möglicherweise das Beste, was je bei einem reli-
giösen Konflikt herausgekommen ist.
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