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Freie Tage, Feiertage
Wenn Sie am 8. Dezember eine protestantische Stadt wie Bern besuchen, werden Sie in
den Straßen und auf dem Weihnachtsmarkt dichtes Gedränge erleben. Das liegt nicht dar-
an, dass es nur noch ein paar Wochen bis zum Fest sind, sondern an dem katholischen Fei-
ertag, mit dem der Unbefleckten Empfängnis gedacht wird. In meiner anglikanischen Ah-
nungslosigkeit glaubte ich, das Kirchenfest hätte etwas damit zu tun, wie Maria schwan-
ger wurde. Zugegeben, eine Schwangerschaft von nur 17 Tagen wäre ein Wunder gewe-
sen, da bleibt ja kaum genug Zeit für die Phase der Morgenübelkeit, geschweige denn um
auf einem Esel bis nach Bethlehem zu reiten. Aber mit Gott als Vater ist schließlich alles
möglich. Wie sich jedoch herausstellte, geht es gar nicht um die Empfängnis Jesu, sondern
um die von Maria. An diesem Tag wird Annas bevorstehende Niederkunft gefeiert, was
daran unbefleckt war, bleibt für mich allerdings vage. Vielleicht war es einfach ein sehr
reinlicher Vorgang ohne irgendwelche Flecken, möglicherweise war Anna ja Schweizerin
- hier ist immer alles fleckenlos, zweifellos also auch eine Empfängnis. Jedenfalls sind an
Schweizer Feiertagen die Geschäfte geschlossen. In diesem Fall die katholischen.
Der Kanton Bern erinnert an das elisabethanische England - eine protestantische Insel
inmitten eines katholischen Ozeans, wo an katholischen Feiertagen fast alle umliegenden
Kantone dichtmachen. Und sobald die Katholiken einen Feiertag haben, kaufen sie im
nächstgelegenen protestantischen Kanton ein. Maria wurde empfangen, also geht's zum
Shoppen. Maria fährt zum Himmel auf, also geht's zum Shoppen. Maria durch den Dorn-
wald ging … na ja, vielleicht nicht. Was die gesetzlichen Feiertage angeht, lohnt es sich je-
denfalls ganz unabhängig vom eigenen Glauben, in einem katholischen Kanton zu leben.
Es klingt zwar wie ein Klischee, aber die Protestanten arbeiten mehr, und sei es nur, weil
sie müssen.
Werfen wir einen Blick auf die beiden Halbkantone Appenzell, wo zuerst über diese
Frage abgestimmt wurde und man sich bereits 1597 wegen der Reformation spaltete.
Wohnt man in Ausserrhoden, dem protestantischen Teil, dann hat man vier gesetzliche
Feiertage weniger als die katholischen Vettern und Kusinen auf der anderen Seite der
Grenze. Den hart arbeitenden Protestanten stehen nur acht gesetzliche Feiertage zu, ihnen
entgehen neben der vorher erwähnten Unbefleckten Empfängnis auch Fronleichnam, Ma-
riä Himmelfahrt und Allerheiligen am 1. November. Prima, falls man ein Geschäft hat, das
von den vielen katholischen Tagesausflüglern profitiert. Blöd, wenn man in einem Büro
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