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Survival-Tipp Nummer 2
Die Rotschuhbrigade
Wenn Sie wie die Einheimischen aussehen wollen, ziehen Sie rote Schuhe an.
Das mag absurd klingen, aber ich habe nirgends so viele rote Schuhe gesehen
wie in der Schweiz. Männer, Frauen, Alte, Junge, ob in Schale geworfen oder in
Räuberzivil, ob in der Stadt oder auf dem Land - jeder scheint ein Paar zu besit-
zen. Man kann kaum länger als zwei Minuten eine Straße entlanggehen, ohne
Rot zu sehen. Ofenbar sind die roten Schuhe eine Art Nationalfetisch, aber von
den vielen Schweizern, die ich schon darauf angesprochen habe, ist es keinem
aufgefallen. Mir schon.
Zum ersten Mal auf einer schattigen Bank auf dem länglichen Platz im Herzen
von Bern, der ungefähr die Lage der alten Stadtmauer nachzeichnet. Nach we-
nigen Minuten dämmerte mir, dass jeder zehnte Passant rotes Schuhwerk trug.
Stiefel, Sandalen, Turnschuhe, Pumps. Velours, Leinen, Plastik, Lackleder. In al-
len erdenklichen Formen, Größen und Scharlachtönen. Seither ist Rote-Schuhe-
Gucken mein Lieblingszeitvertreib beim Einkaufsbummel, Wandern oder Sight-
seeing. Egal welchen Teil der Schweiz man sommers oder winters besucht, es
dauert nie lange, bis man welche entdeckt. Als ich einmal am Berner Bahnhof
auf einen Zug wartete, zählte ich in zehn Minuten 28 Paar, bisher mein Rekord.
Anscheinend fand hier eine Rotschuhtagung statt, von der mir niemand erzählt
hatte. Sie könnten jetzt natürlich einwenden, dass jemand, der rote Schuhe
zählt, nicht ganz richtig im Kopf ist, aber ich bin überzeugt, dass ich hier auf
ein interessantes kulturelles Phänomen gestoßen bin. Zu Hause in Großbritan-
nien habe ich dasselbe Experiment gemacht. Trist. Ein geschäftiger Tag in Edin-
burgh und nur acht Paar. Ein Shoppingvormittag in den Gunwharf Quays in
Portsmouth und jämmerliche drei Paar. (Da sehe ich mehr, wenn ich in Bern
Milch holen gehe.) Zehn Minuten auf einer Bank in der Oxford Street und kein
einziges Paar.
Was hat es also mit all den roten Schuhen in der Schweiz auf sich? Ich habe di-
verse Theorien, die mehr oder weniger einleuchtend sind:
1. Theorie: Die Schweizer sind sehr patriotisch. Die Nationalfarben sind Rot und
Weiß, und weil Letzteres für Schuhe eher unpraktisch ist, bleibt nur Rot. Der Pa-
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