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Mr. Cook und das Kreuz
Weltgeschichtlich betrachtet war 1863 ein bedeutsames Jahr. Mit 1492 oder 1945 kann es
sich zwar nicht messen, es war aber zweifellos interessanter als beispielsweise 1329 oder
1754. Erstens gaben die Rollschuhe, der Feuerlöscher, der englische Fußballverband und
die erste U -Bahn (in London) ihr Debüt. Ebenso der Name Mark Twain (als Pseudonym
des damals 28-jährigen Samuel Clemens). Außerdem erhielt der südfranzösische Ort Ver-
gèze die kaiserliche Erlaubnis zum Hotel- und Kurbetrieb rund um eine gewisse Mineral-
quelle, die später unter dem Namen »Perrier« bekannt wurde. So weit die guten Nachrich-
ten.
In den Vereinigten Staaten sah es eher schlecht aus, denn der Bürgerkrieg erreichte bei
Gettysburg seinen apokalyptischen Höhepunkt. Obwohl Präsident Lincoln alle Hände voll
zu tun hatte, fand er Zeit für drei historische Verlautbarungen: die Emanzipationsprokla-
mation, die Gettysburg-Rede und die Festlegung des Erntedankfestes auf den letzten Don-
nerstag im November. Aller drei Ereignisse gedenken die Amerikaner bis heute.
Für die Schweizer war 1863 ebenfalls ein bedeutsames Jahr, auch wenn sie es damals -
und vielleicht bis heute - nicht bemerkten. Denn in diesem Jahr wurde nicht nur in Genf
das Rote Kreuz gegründet, sondern ein gewisser Mr. Thomas Cook führte in der Schweiz
auch die erste Pauschalreise durch. So entstand das moderne Image des Landes: als Ver-
fechterin der Neutralität und des Fair Play und außerdem als schöne friedliche Urlaubsre-
gion. Die Schweizer haben seither gute Geschäfte damit gemacht. Damals konnte man als
Tourist die Landschaft bewundern, eine Schweizer Taschenuhr kaufen und Trost aus dem
Gedanken schöpfen, dass sich die Schweiz bei Ausbruch eines Krieges raushalten würde.
Was man nicht konnte, war Milchschokolade essen oder eine Bergbahn besteigen, denn
diese Schweizer Erfindungen wurden erst im folgenden Jahrzehnt gemacht. Diese ziemlich
modernen Freuden heizten den Schweizer Tourismus (und einen Wirtschaftsboom) dann
weiter an, bis die Welt im Jahr 1914 kollabierte.
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