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Lassen wir das Mittelalter links liegen
In Bauen am Urner See kann man gut zwei Millionen Menschen (oder besser gesagt ihren
Anteil am Weg) überspringen, wenn man erneut ein Schiff besteigt, das einen in zwanzig
Minuten ans andere Ufer bringt. Bei dieser Fahrt geht es im Eiltempo durch weitere hun-
dert geschichtsträchtige Jahre, in denen die Schweiz Österreich erneut besiegte. Diese
Kampfbereitschaft lebt bis heute fort, wenn auch auf dem friedlicheren Gebiet des Sports:
Kein Frühling bricht an, ohne dass zuvor die Leistungen schweizerischer und österreichi-
scher Skiathleten verglichen wurden. Das Verhältnis ist ähnlich wie zwischen Deutschland
und England auf dem Fußballfeld, obwohl die Schweizer häufiger die Oberhand behalten
als die Engländer.
Bei den Winterolympiaden weist der Ewige Medaillenspiegel allerdings 201 Trophäen
für Österreich und nur 127 für die Schweiz aus, was eine tiefe Wunde in die Schweizer
Seele schlägt. Andererseits schneidet die Schweiz bei den Sommerspielen dank Schießen,
Reiten, Rudern und Radfahren sehr viel besser ab. So oder so darf in keinem Schweizer
Geschichtsbuch die Schlacht bei Sempach von 1386 fehlen. Der Sieg, den die Schweiz hier
über Österreich davontrug, mag den übrigen Europäern wenig bedeuten, die Eidgenossen
aber feiern ihn jedes Jahr. Sempach war ihr Azincourt. Die gewonnene Schlacht sicherte
ihnen ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Habsburgerreich und stärkte ihren Ruf als ernst
zu nehmende Soldaten. Damals waren die Schweizer noch nicht die Friedensapostel Euro-
pas, sondern so militaristisch wie der Rest - sie fielen bei ihren Nachbarn ein, rissen Land
an sich, führten Kriege und machten Beute, ohne sich mit einem schlechten Gewissen zu
plagen. Und diese Furcht einflößende Kriegsmaschinerie würde von nun an im großen Stil
in der europäischen Geschichte mitmischen.
Wir schreiben das Jahr 1476; eines der reichsten und mächtigsten Länder der Epoche ist
Burgund unter Herzog Karl dem Kühnen. Er beherrscht große Gebiete Westeuropas von
Holland und Belgien über Nordfrankreich und das Elsass fast bis hinunter nach Genf. Da
Frankreich und England einander die letzten hundert Jahre durch ständigen Krieg in eine
Pattsituation manövriert haben, während Deutschland und Italien in Kleinstaaterei ver-
harren, ist für Burgund der Weg zur Vormachtstellung vorgezeichnet. Doch mit Karl geht
es den Bach hinunter, als er sich auf einen Konflikt mit der Schweiz einlässt, die nunmehr
acht Kantone umfasst. In jenem Jahr werden die Burgunder zwei Mal, im März bei Grand-
son und im Juni bei Murten, so vernichtend geschlagen, dass sie sich nie wieder so recht
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