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Stiefel sind zum Wandern da
Spazierengehen und Wandern sind die große Leidenschaft der Schweizer. Sobald sie die
ersten Schritte gemacht haben, werden sie zum Wanderausflug mitgenommen. Nicht sel-
ten sieht man eine Schar Wanderlustiger jenseits der Achtzig aufbrechen, und die einzigen
Stöcke weit und breit sind diese sportlichen Dinger, die man in Steillagen benötigt. In
niedrigen Lagen wandert man sommers wie winters, nur wer nach Höherem strebt, muss
den Frühling abwarten, es sei denn, er schnallt sich Schneeschuhe an. Sobald das Tauwet-
ter einsetzt und sich die Schneegrenze langsam nach oben schiebt, folgen ihr die Wanderer
dicht auf den Fersen. In der Hochsaison von Juni bis September sind die beliebten Pfade
belebter als die Oxford Street in der Vorweihnachtszeit. Und auch in den Zügen geht es zu;
wer an einem sonnigen Sonntag im Juli den Sieben-Uhr-Zug nach Interlaken besteigt, er-
gattert höchstens einen Stehplatz, und die anderen Reisenden sind garantiert mit Wan-
derstiefeln und -stöcken ausgerüstet.
Mir tun schon die müden Knochen weh, wenn ich sie alle im sportlichen Outfit sehe,
aber für die Gebirgsdörfer ist das eine prima Sache, denn sie haben zweimal die Chance
abzusahnen: erst bei den Skifahrern, dann bei den Wanderern, die den Winterurlaubern
zahlenmäßig nicht nachstehen. Den Sportgeschäften gefällt das auch. Dass der Winter
vorbei ist, merkt man spätestens, wenn in ihren Auslagen die klobigen Skischuhe den ro-
busten Wanderstiefeln weichen und die dicken aufgeblähten Jacken den leichten Hight-
echmodellen.
Die Wanderlust ist in der Schweiz ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Wichtiger noch,
die Wandervögel haben 63 504 Kilometer Wanderwege zur Verfügung (oder sentiers , falls
Sie in französischsprachigen Kantonen unterwegs sind, obgleich deren Bewohner längst
nicht so gern wandern wie die Deutschschweizer). Dieses Wegenetz ist fast so lang wie das
der Nationalstraßen und mit den kleinen gelben Wegweisern, die die Entfernung zu ver-
schiedenen Zielorten angeben, genauso gut beschildert. Diese sind unterwegs zum Gipfel
(oder ins Tal) sehr hilfreich, vor allem wegen ihrer korrekten Angaben, und man findet sie
wirklich überall in der Schweiz: in Stadtzentren, auf windgepeitschten Bergeshöhen, im
winzigsten Weiler und auf zahlreichen Holzwegen. Selbstverständlich sind per pedes auch
dem Auto unzugängliche Orte zu erreichen - nämlich die Berge. Knapp ein Drittel der
Schweizer Fußwege sind als Bergwanderwege ausgezeichnet, und das heißt, sie sind müh-
seliger und führen höher hinauf.
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