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Fazit
Die Schweizer sind reich, protzen aber nicht mit ihrem Geld, sie sind zurückhaltend, stel-
len sich aber grundsätzlich jedem vor, sie sind innovativ, aber veränderungsresistent, libe-
ral genug, um schwule Partnerschaften abzusegnen, und so konservativ, dass sie Minarette
verbieten. Außerdem haben sie einen Frühstücksbrei erfunden, den sie am Abend essen.
Die Privatsphäre ist ihnen heilig, aber Schnüffelei von Staats wegen wird geduldet; das
Volk entscheidet über alles, doch die Mehrheit geht nicht zur Wahl. Ehrlichkeit ist eine Le-
benshaltung, über eine schwierige Vergangenheit spricht man jedoch höchst ungern; und
Konformität ist die Norm, wobei sich rote Schuhe einer kuriosen Beliebtheit erfreuen.
Dass die Schweizer widersprüchlich sind, überrascht nicht, wenn man bedenkt, wie ge-
spalten das Land ist. Seit ihren Anfängen hatte die Schweiz mit geografischen, sprachli-
chen, religiösen und politischen Gegensätzen zu kämpfen, die anderen Ländern bereits in
ihrer Geburtsstunde den Todesstoß versetzt hätten. Diese Gräben wurden überbrückt,
wenn auch nicht ohne Blutvergießen, aber noch heute ist die Schweiz so paradox wie ihre
Bewohner. Einerseits treibt moderne Technologie die Wirtschaft voran, andererseits wer-
den steile Bergwiesen weiterhin mit der Sichel gemäht; die Nation ist neutral und expor-
tiert dennoch Waffen in viele Länder; sie hat keine Küste, gewann im Segeln aber den
America's Cup, und ihre Handelsflotte ist so groß wie die russische. Und was die Klischee-
vorstellungen angeht - nicht jeder Käse hat Löcher, Kuckucksuhren stammen nicht aus
der Schweiz, und nicht jeder Zug ist auf die Minute pünktlich.
Dieses Buch hat uns vom Fuß des Matterhorns bis zur Eigerspitze geführt. Die zwei be-
rühmten Gipfel mögen beide wie Berge aussehen, sind aber so verschiedenen wie ein Zür-
cher und ein Basler. Man sagt, ein Schweizer fühle sich erst als solcher, wenn er sein Land
verlässt, bis dahin gehöre sein Herz dem Kanton Bern, Schwyz, Tessin und wie sie alle hei-
ßen. Aber ganz gleich welche Sprache sie sprechen, wo sie wohnen oder zu welchem
Glauben sie sich bekennen, was alle Eidgenossen verbindet, ist der Wille, Schweizer zu
bleiben. Sie trauen einander zu, angesichts all ihrer Widersprüche nicht zu schwächeln,
sondern daran zu wachsen und das Gemeinwohl zu mehren. Das funktioniert nicht immer
- wie das Blutvergießen früherer Jahrhunderte beweist -, und es ist nicht immer leicht,
wie die Sorge um die Zukunft zeigt. Das Geheimnis des Schweizer Erfolgs liegt darin, aus
dem Ganzen weit mehr zu machen als die Summe seiner Teile, aber um welchen Preis?
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