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Was die fünf Metropolen und praktisch jede andere Schweizer Stadt gemeinsam ha-
ben, ist, dass sie im letzten Jahrhundert keine kleineren Unannehmlichkeiten wie Welt-
kriege erdulden mussten und daher eine intakte mittelalterliche Altstadt besitzen. Zwar
ist die meist von einem Ring architektonischer Schandflecken umgeben nebst den Fabri-
ken und der Verkehrsinfrastruktur, auf die eine westliche Gesellschaft nicht verzichten
mag, aber im Vergleich zu vielen neueren urbanen Räumen erfreuen die Schweizer Städte
das Herz. Auf den ersten Blick könnten die Orte, vom Zug- oder Trambahnfenster aus be-
trachtet, irgendwo in Mitteleuropa liegen. Sie sind eindeutig nicht britisch - dazu gibt es
zu wenig Ziegelbauten und nicht annähernd genügend Müll - und auch nicht mediterran
- dafür sind die Wohnhäuser zu ehrwürdig und der Verkehr zu wohlerzogen. Aber sie
wirken auch weder so mürrisch wie manche deutschen noch so wichtigtuerisch wie man-
che französischen Städte, fast als würde der Föhn auch ein wenig Exotik über die Alpen
wehen, die sich in der Bausubstanz niederschlägt.
Vielleicht ist ja der Mix aus nördlicher Gediegenheit und südländischer Lebensfreude
die Erklärung, warum Schweizer Städte so oft in den Listen der lebenswertesten Städte
auftauchen, es könnte aber durchaus auch etwas mit der Sauberkeit und dem Verkehrs-
wesen zu tun haben. Zürich und Genf mögen selbst nach Schweizer Maßstab teuer sein,
aber sie schaffen es in der Mercer-Studie regelmäßig unter die Top 5 der Städte mit der
höchsten Lebensqualität. Bei einer Bevölkerung von unter einer halben Million haben sie
natürlich keine mit Berlin oder Chicago vergleichbaren Probleme, aber selbst wenn sie
die hätten, würden sie, wie man die Schweizer kennt, bald eine Lösung dafür finden.
Die Schweiz wurde trotz und wegen ihrer geografischen Barrieren zu dem Land, das sie
heute ist. Die Berge sind der Grund, warum sie als Zusammenschluss verschiedener Kan-
tone heranwuchs, und sie sind schuld daran, dass diese Kantone überlebten und gedie-
hen. Die nächsten Kapitel werden zeigen, wie diese dezentralisierte geografische Struktur
die geschichtliche und politische Entwicklung der Schweiz im Lauf der Jahrhunderte ge-
prägt hat. Die Landschaft und vor allem das Wetter bedeuteten außerdem, dass die
Schweizer von jeher alles sehr umsichtig anpacken mussten. Den Winter zu überstehen
erforderte Planung und Besonnenheit, und der Mangel an Bodenschätzen musste mit
Einfallsreichtum und Aufmerksamkeit fürs Detail ausgeglichen werden - viele Schweizer
zeichnen sich noch heute durch diese Eigenschaften aus.
Durch die Berge abgeschnitten vom Rest der Welt, hat sich die Schweiz im Lauf der
Geschichte oft wie eine Insel verhalten - und ihre Nachbarländer ausgeblendet. Oder we-
nigstens hatte sie das vor. Aber so wie Großbritannien zu Beginn des 19. Jahrhunderts
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