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Ein Tag auf dem Land
Nachdem ich erkundet habe, wo Johanna starb, ist mein nächstes Ziel Hirzel, ihr Geburts-
ort über dem Zürichsee. Es überrascht mich nicht, dass die einzige Sehenswürdigkeit ein
Spyri-Museum ist, allerdings hat es die absurdesten Öffnungszeiten der Welt: jeden Sonn-
tag von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Nicht gerade einladend.
Also planen Gregor und ich unsere Fahrt so, dass wir an einem Sonntag kurz nach 14.00
Uhr dort eintreffen. Und ich bin bestens vorbereitet - nachdem ich mich viel zu lang
durch die Homepage des Ortes geklickt habe, weiß ich weit mehr darüber, als gut für mich
ist. Gelinde gesagt sprudelte die Datenquelle schier über. Wer weiß denn schon (oder muss
wissen?), dass Hirzel 2106 Einwohner hat, von denen 24 Prozent jünger als 19 Jahre sind
und 26 Prozent katholisch? Oder dass hier 257 Ausländer leben? Vielleicht interessiert es
Sie ja, dass das Dorf aus 724 Häusern und einem Hotel (mit elf Betten) besteht? Verblüf-
fenderweise gibt es sieben Restaurants und zwei Cafés, die vermutlich all die Heidi-Tou-
risten versorgen, die nicht an einem Sonntag zwischen 14.00 und 16.00 Uhr hier auftau-
chen und dann nicht wissen, wohin. Ich riss ich mich vom Computer los. Beinahe jeder
Schweizer Ort hat eine solche Homepage, doch wer in aller Welt liest das?
Wir fahren in einer fast leeren Lokalbahn die Westseite des Zürichsees entlang, zwar
nicht gerade am Ufer (dafür stehen zu viele Häuser dort), aber doch nah genug, um die
Sonnenstrahlen auf dem Wasser tanzen zu sehen. Der Zürichsee ist ein lang gezogenes
schmales Gewässer, das an seiner breitesten Stelle keine vier Kilometer misst, sodass man
leicht das gegenüberliegende Ufer sehen kann. Es ist als Goldküste bekannt und einer der
teuersten Flecken der Schweiz - wahrscheinlich der Grund, warum Tina Turner hier lebt.
Wegen der Einflugschneisen des Zürcher Flughafens führen die Bewohner einen beharrli-
chen Kampf mit den Behörden. Sie wollen sich ihr luxuriöses Leben schließlich nicht
durch Fluglärm beeinträchtigen lassen - höchstens durch das Röhren ihrer Privatjets.
In Horgen steigen wir in einen der allgegenwärtigen gelben Postbusse um, der selbstver-
ständlich bereits auf die Zugreisenden wartet. Der Busfahrer begrüßt alle, als er einsteigt,
und dann geht's los, die Berge hinauf. Im Gegensatz zum Zug ist der Bus gut besetzt, bald
gibt es nur noch Stehplätze. Das Durchschnittsalter der Fahrgäste liegt bei etwa 77 Jahren
- und unsere Anwesenheit hat es bereits um einiges gesenkt. Entweder sind wir in einen
Rentnerausflug nach Hirzel hineingeraten, oder die alten Leute hier in der Gegend fahren
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