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Die Spitzenreiter
Am Flughafen Zürich verbindet eine Untergrundbahn das internationale Terminal mit
dem Hauptgebäude. Kaum fährt der Zug los, setzt Jodeln ein, es folgen klirrende Kuhglo-
cken und tief dröhnende Alphörner, alles aus dem Lautsprecher. Und dann erscheint sie,
wie von Zauberhand, überlebensgroß vor dem Fenster. Sie dreht den goldblond bezopften
Kopf in unsere Richtung, wirft uns ein Küsschen zu und verschwindet wieder. Natürlich
ist das nur eine Illusion, die Bilder an der Tunnelwand sind so hintereinandergereiht, dass
beim Vorbeifahren der Eindruck dieser Bewegung entsteht. Aber es ist niedlich und ge-
schickt gemacht und verdeutlicht, was für eine bedeutende Rolle das Heidi als Schweizer
Ikone spielt. Niemand kann ihr diesen Rang als Kultfigur auch nur ansatzweise streitig
machen. Vielleicht weil sie eine Romanfigur ist? Die Schweizer tun sich viel leichter da-
mit, jemanden zu verehren, der nie gelebt hat.
Berühmtheit gilt in der Schweiz nicht viel. Wahrscheinlich ist das ein Grund, warum so
viele Stars hier leben, auch wenn das Steuersystem sicher ebenfalls dafür spricht. Auf den
Titelseiten von Schweizer Zeitschriften sieht man eher Prinz William oder Angelina Jolie
als einen Schweizer oder eine Schweizerin. Und Talkshows? Die gibt es praktisch nicht,
denn Schweizer Fernsehzuschauer wüssten nicht, weshalb sie sich ansehen sollten, wie ei-
ne Berühmtheit eine andere interviewt. Zu den höchsten Schweizer Werten zählen Intim-
sphäre und Bescheidenheit. Halte dich unauffällig im Hintergrund, auch wenn du stein-
reich bist, und beides bleibt dir erhalten. Die große Ausnahme ist Roger Federer, der einzi-
ge Schweizer Weltstar, doch selbst er strahlt eine gewisse Bodenhaftung aus. Welcher an-
dere Star setzt seine Babybilder auf Facebook, statt sie an die Boulevardpresse zu verkau-
fen? Es ist die Schweiz, die berühmt ist, nicht die Schweizer. Doch wen würden die
Schweizer wählen, wenn sie müssten? Wer sind ihre Idole?
2010 hat die Zeitung Der Bund die zehn bedeutendsten Schweizer aller Zeiten aufgelis-
tet, und diese Auswahl sagt alles. Weder ein Monarch noch ein Präsident findet sich unter
den Top Ten, schon weil die Schweizer eigentlich keine hatten. Auch ist keiner von ihnen
nach 1906 geboren, als sei es heute viel zu früh, solche Jungspunde abschließend zu beur-
teilen. Stattdessen findet man auf der Schweizer Liste
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