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kaum Fahrer, die um einen Parkplatz streiten, aus dem Fenster heraus schimpfen oder
wütend hupen - es sei denn im Tessin, aber da herrschen andere Spielregeln. Raser trifft
man schon eher an - wo Fahrer sind, gibt es auch Raser -, aber sie sind nicht so allgegen-
wärtig wie anderswo. Teilweise dürfte das daran liegen, dass die Schweizer von Natur
aus vorsichtig sind, aber auch die gesalzenen Strafen wirken abschreckend. Laut einem
erst vor Kurzem eingeführten Bußgeldkatalog richten sie sich zum Teil nach der Höhe
der Geschwindigkeitsüberschreitung und teilweise auch nach dem Verdienst des Ver-
kehrssünders. Aber es scheint zu funktionieren, denn die Bußgelder können in die Tau-
sende gehen. Ein Fahrer bekam 300 000 Franken aufgebrummt, weil er mit seinem Ferrari
50 Stundenkilometer über der zugelassenen Geschwindigkeit durch ein Dorf in der Ost-
schweiz bretterte. In manchen Berichten wurde angedeutet, er sei Deutscher gewesen.
Aber das kann auch ein typisch Schweizer Gerücht gewesen sein, das in die Welt gesetzt
wurde, um die Reputation der Eidgenossen als gesetzestreue Bürger zu betätigen und den
Ruf der Deutschen als Bösewichte zu festigen.
Dafür ist der Preis für die Benutzung der Schweizer Autobahnen sehr zivil. Die ein
Jahr gültige Vignette kostet 40 Franken und wird an die Windschutzscheibe geklebt. Das
ist wesentlich eleganter als sperrige, hässliche Mautstellen, vor denen sich Schlangen bil-
den, und passt daher gut zur Schweiz. Natürlich gehen alle Schweizer pflichtgetreu zur
Post und kaufen sich die Vignette.
Am Autofahren in der Schweiz gefällt mir besonders gut, dass einem das Nummern-
schild gehört und man es bei einem Fahrzeugwechsel behält. Ein Schweizer Nummern-
schild ist eine Anschaffung fürs Leben, außer man zieht in einen anderen Kanton, denn
die ersten beiden Buchstaben verraten, wo das Fahrzeug gemeldet ist. Bei SO wissen Sie
also sofort, dass das Auto aus Solothurn kommt. Und damit niemand bei VA stutzig wird,
weil es sowohl für Valais oder Vaud stehen könnte, hat man Valais mit VS und Vaud mit
VD bedacht.
Während Ausländer das Schweizer Verkehrsnetz als eines der modernen Weltwunder
empfinden, ist es für Schweizer nur eine Möglichkeit, von A nach B zu kommen. So
wirkt es zumindest auf den ersten Blick. In Wirklichkeit lieben die Schweizer ihr Trans-
portwesen im Allgemeinen und ihre Eisenbahn im Besonderen. Doch wie bei vielen an-
deren Dingen wissen sie zwar, dass es anderen haushoch überlegen ist, sind aber zu be-
scheiden, um damit anzugeben. Wie viel es ihnen bedeutet, wird erst klar, wenn etwas
Neues hinzukommt. Neue Trambahnen werden vorgezeigt wie das Baby stolzer Eltern,
neue Busse sind immer eine Nachricht wert, und eine Tunneleinweihung ist ein Fest. Die
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