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Mit den Schweizern jassen
Jass ist so ähnlich wie Bridge, nur mit völlig anderen Karten, und es ist eine Leidenschaft
bei Jung und Alt. Jass wird nicht nur in Zügen gespielt, sondern auch in Kneipen, nach
dem Essen im Restaurant oder online. Es gibt sogar Jass-Abende, bei denen zwanzig Paare
in einem Rundenturnier gegeneinander antreten.
Stellen Sie sich Folgendes vor: 18.45 Uhr, Samstag, SF 1, der meistgesehene Schweizer
TV -Kanal, beste Sendezeit für eine Arztserie oder eine Sportsendung. Aber wir sind nicht
in Deutschland, sondern in der Schweiz, und hier gibt es Jass. Es läuft recht schlicht ab:
Man sieht die Karten, die gespielt werden, hört dazu Kommentare im Snooker-Stil und
musikalische Einlagen, und das war's dann. Doch obwohl es hier nicht einmal etwas zu
gewinnen gibt, erfreut sich die Sendung größter Beliebtheit. Und zwar seit 1967, also lange
bevor bei Pro Sieben und auf Eurosport gepokert wurde - Samschtig-Jass ist die Großmut-
ter aller Spielkarten-Shows. Hier geht es zweifellos gemütlicher zu als bei Pokerturnieren,
denn die Sendung wird jedes Mal aus echten Restaurants und Kneipen im ganzen Land
übertragen. Aber für Anfänger wie mich ist der Versuch zu begreifen, was da eigentlich
vor sich geht, trotzdem kein Zuckerschlecken.
Schon allein die Karten. Das gewöhnliche rot-weiße Bridge- oder Rommeeblatt wird
durch vier Farben ersetzt (Rosen, Schellen, Eichel und Schilten), die aussehen, als stamm-
ten sie aus der Epoche der Borgias. Die 36 Karten sind in so leuchtendem Gelb, Rot, Blau
und Grün gehalten, dass mich die Farbzusammenstellung und die seltsamen Formen im-
mer noch verwirren. Ich muss mir jede Karte genau anschauen, um draufzukommen, wel-
chen Wert sie hat. Wie viele kleine Eicheln wachsen an diesem Ast? Hält der Pfeife
schmauchende Bauer (auch Under, Buuer , Puur oder Püür genannt) wirklich eine Rose in
der Hand? Wo sind all die Karten unter 6 geblieben? Seltsamerweise spielt man gegen den
Uhrzeigersinn, spielt Trumpf, wann immer man Lust hat, und bestimmte Karten (wie die
Trumpf 9, die sogenannte Nell) sind viel mehr wert, als sie sollten. Hinzu kommt dann
noch das komplizierteste Punktesystem der Welt.
Klarer Fall, dass hier nur Schweizer reüssieren. Vielleicht ist Jass wie Kricket - ein Spiel,
mit dem man aufwachsen muss, um zu verstehen, was da eigentlich vorgeht. Wenigstens
macht es die Schweizer glücklich.
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