Travel Reference
In-Depth Information
Perfektion hat ihren Preis
Das Bemerkenswerte an Schweizer Zügen ist, dass sie - anders als Star Wars- Prequels
oder der neue John Grisham - ihrem Ruf gerecht werden: Sie sind sauber, bequem, teuer
und fast immer pünktlich. Wie wir wissen, kommen 4,2 Prozent der Schweizer Züge zu
spät, was Entschuldigungen per Lautsprecher und wartende Anschlusszüge zur Folge hat.
In der Regel bleiben nur die Uhren, größtenteils »Made in Switzerland«, besser im Takt als
die Eisenbahn.
Aber auch dieses Schienennetz hat schlechte Tage. Glücklicherweise sind sie jedoch so
selten wie eine schweizerische Kriegserklärung. Es ist schon eine Weile her, da legte ein
Stromausfall das ganze System einen Tag lang lahm: eine unvorstellbare Katastrophe in ei-
nem Land, das zuverlässigen öffentlichen Verkehr gewohnt ist. Die Sondersendungen nach
den Abendnachrichten an jenem Tag zeigten Bilder von überfüllten Bahnsteigen und auf
Brücken liegen gebliebenen Zügen, während Interviews mit verstörten Pendlern und er-
schöpften Amtsträgern die allgemeine Fassungslosigkeit spiegelten. Den Zuschauern, die
glaubten, Bilder vom Weltuntergang zu sehen, sei verziehen: Aus Schweizer Sicht war es
der Weltuntergang. Selbstverständlich bekamen alle Betroffenen den Fahrpreis erstattet.
Das Unangenehme am Bahnfahren sind die Preise, die schon immer hoch waren. Wobei
die Schweizer ja grundsätzlich der Auffassung sind, dass Qualität nun mal ihren Preis hat,
was in diesem Fall stimmt. Um diesen Schmerz zu lindern, gibt es für 165 Franken das
Halbtax-Abo, mit dem man ein Jahr lang im ganzen Land zum halben Preis fährt, und
zwar mit Zügen, Bussen, Schiffen und dem städtischen Nahverkehr. Drei Hin- und Rück-
fahrten von Zürich nach Bern, und man hat die Kosten reingeholt. Kein Wunder, dass zur-
zeit 2,3 Millionen Fahrgäste mit Halbtax reisen, und zwar nicht nur Schweizer. Auch für
regelmäßige Gäste, die beim Bahnfahren sparen wollen, lohnt sich die Anschaffung.
Wenigstens hat das Normalbillett einen festgelegten Preis. So einfach ist das. Keine
komplizierten Vorausbuchungsrabatte für verkehrsschwache Stunden, bei denen keiner
durchblickt (und bis vor Kurzem auch keine Fahrten mit Zugbindung, die Sie dann leider
nicht antreten können, weil Sie sich schon wochenlang im Voraus festlegen mussten). Ob
Sie Ihr Ticket zwei Wochen oder zwei Minuten vor Antritt der Reise kaufen, spielt keine
Rolle, und Sie können jederzeit den Zug besteigen, der Ihnen am besten passt. Keine
Zwangsreservierungen (außer bei Touristenzügen wie dem Glacier Express) und keine
Strafgebühren, weil Sie im falschen oder einem zuschlagpflichtigen Zug gelandet sind.
Search WWH ::




Custom Search