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Die Schweizer Nationalwurst
In der Schweiz gilt: kein Grillen ohne Cervelat. Was dazu führt, dass alljährlich 160 Millio-
nen davon verspeist werden. Nicht schlecht in einem Land mit nur 7,7 Millionen Einwoh-
nern. Ein Pfadfinder-Sommerlager draußen in der Natur, bei dem am Lagerfeuer auf einen
Spieß gesteckte Cervelats gegrillt werden, ist ein Übergangsritus für fast alle Schweizer
Kinder. Der hellbraune Cervelat ist kurz, fett und ziemlich dick, mit einer Wurstmasse aus
Rindfleisch, Schweinefleisch und Rückenspeck sowie Pökelsalz und Kräutern, die in Rin-
derdarm gefüllt wird. Geräuchert und gebrüht wird sie dann der gierigen Menge verkauft.
Traditionell schneidet man ihre Enden kreuzweise ein, sodass sie sich beim Grillen ein
bisschen aufrollen und die Wurst einem kleinen Spanferkel ähnelt.
Allerdings befindet sich die Schweiz seit 2008 in einer Cervelat-Krise, Schlagzeilen be-
klagen den kurz bevorstehenden Tod dieser nationalen Institution. Der Grund dafür ist das
Verbot der traditionell als Wursthaut verwendeten Rinderdärme durch die Europäische
Union, dem die Schweiz wegen ihrer bilateralen Vereinbarungen mit der EU Rechnung
tragen muss. Die Angst vor BSE hat dazu geführt, dass die Einfuhr brasilianischer Zebu-
därme gestoppt wurde, die schon seit Langem diejenigen Schweizer Herkunft ersetzt hat-
ten, weil sie trotz des langen Transportweges viel billiger waren. Zebus sind diese Buckel-
rinder, die vorwiegend in Indien, aber auch in Südamerika leben. Da der nationalen Wurst
das Aus drohte, wurde eine Schweizer Cervelat-Task Force gebildet, um nach einer Ersatz-
wursthaut zu suchen. Aber die Därme anderer Tiere taugen offensichtlich nicht, sie sind
zu weit, zu teuer oder zu dünnhäutig - keiner will eine geplatzte Wurst. Kunststoffdärme
riefen Schreie des Entsetzens hervor, und Ersatz aus Paraguay ist nur eine kurzfristige
Übergangslösung. Es klingt absurd, aber für viele Schweizer ist eine Schweiz ohne Cerve-
lat nicht vorstellbar und das Ganze daher ein wichtiges Thema. Die Task Force hat eine
gewaltige Aufgabe zu stemmen - es gilt die Volkswurst zu retten.
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