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Kochen mit Betty
Sie ist der Jamie Oliver oder Alfons Schuhbeck der Schweiz. Unter ihrer Anleitung haben
die Schweizer nicht nur ihre Nationalgerichte kochen gelernt, sondern sind zu so exoti-
schen Kreationen wie Thai-Curry und Hummus vorgedrungen, was für etliche Einheimi-
sche einer Revolution gleichkommt. Dabei gibt es Betty gar nicht. Ihre Existenz verdankt
sie der Marketingabteilung eines Öl- und Margarinefabrikanten, wo sie 1956 erfunden
wurde, und Betty heißt sie, weil ihr Name in den drei Hauptsprachen des Landes beruhi-
gend und verlässlich klingen sollte. Ursprünglich nur eine Gratiszeitung, die in Super-
märkten auslag, hat sie sich zu einer millionenschweren Marke gemausert. Neben Kochbü-
chern, die allesamt Verkaufsschlager sind, gibt es unter ihrem Namen eine Zeitschrift, eine
Kochschule und Küchengeräte. Und für den Fall, dass Sie selbst mit Bettys Hilfe am Herd
weiterhin überfordert sind, finden Sie in einem Regal bei Coop ihre Fertiggerichte. Was al-
lein schon eine Revolution ist. Denn Fertiggerichte sind eine radikale Neuerung, die in
Berns größtem Supermarkt bisher nur ein halbes Kühlregal einnimmt.
Allerdings gibt es drei heiß geliebte Dinge in einem Schweizer Supermarkt, an deren
Zubereitung selbst geübte Hausfrauen mithilfe von Betty Bossi scheitern würden. Erstens
Rivella, ein Getränk aus Molke, was nicht so widerlich schmeckt, wie man es aufgrund sei-
ner Herkunft als Milchserum vermuten könnte, aber doch eher etwas für den einheimi-
schen Gaumen ist; man gewöhnt sich in späteren Jahren nur schwer daran. Die Schweizer
allerdings stillen ihren Durst bereits seit 1952 damit, und es erfreut sich weiterhin großer
Beliebtheit. Zweitens Aromat, eine Allzweck-Streuwürze von Knorr. Trotz seiner grellgel-
ben Warnfarbe findet es sich in der Schweiz auf allem und jedem, ob gekochte Eier, Salat,
Gemüse oder Fleisch. Was einen nicht wundern muss, denn der Salz-Kräuter-Hefe-Ge-
schmack ist recht delikat. Natürlich steht es auch auf fast jedem Tisch zum Nachwürzen.
Beides kommt aber um Längen nicht an den Cervelat heran. Was in meinen und Ihren
Augen lediglich eine kurz geratene Fleischwurst ist, wird von den Schweizern als Natio-
nalwurst in gleichem Maße verehrt wie verzehrt.
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