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Die käsigste Stadt weit und breit
Nicht nur der Emmentaler gilt als typischer Schweizer Käse, in der französischsprachigen
Schweiz übernimmt diese Rolle der Gruyère, auch als Greyerzer bekannt. Zusammen, am
besten halbe-halbe, ergeben sie das perfekte Fondue. Zwei Sprachen, zwei Käse, beide
Schweizer Herkunft und beide Teil des Schweizer Nationalgerichts schlechthin: Französi-
sches und Deutsches in kulinarischer Harmonie vereint.
Selbst in einem Land voller pittoresker Städtchen wirkt Gruyères (ja, aus irgendeinem
Grund hat die Stadt im Gegensatz zum Käse ein »s« am Ende) auf den ersten Blick beson-
ders anziehend. Hoch über dem Tal thront eine Burg auf einem Felsen inmitten eines
Rings aus höheren Bergen. So muss der Turm ausgesehen haben, von dem Rapunzel ihr
goldenes Haar herunterließ.
Schweizer Burgen sind eher Märchenschlösser als militärische Festungen. Statt Zinnen,
Bergfried und Ringmauern sieht man hier Spitztürmchen und überdachte Festungswälle
um den eigentlichen Schlossbau in der Mitte. Schloss Gruyères passt ins Muster, wirkt
aber dennoch ziemlich abweisend, vielleicht wohnt hier doch Dracula und nicht Rapunzel.
Wie jeden Schweizer Ort kann man auch Gruyères mit öffentlichen Verkehrsmitteln er-
reichen, aber da es weitab vom Schuss zwischen Bern und Lausanne liegt, bedeutet das ei-
ne lange, verzwickte Zugfahrt, egal von wo. Es bietet sich an, mit dem Auto zu fahren,
und wieder kommt mir meine Familie wie gerufen. Entlastungsparkplätze, einer haupt-
sächlich für Busse, säumen die Straße den Berg hinauf und sind bereits gut mit Fahrzeu-
gen besetzt. Parkplatz Nummer eins neben der Stadtmauer ist sogar schon voll, obwohl es
noch Vormittag und beileibe nicht Hochsaison ist. Man stelle sich nur vor, wie es hier aus-
sieht, wenn Gruyères im Sommer von der übergroßen Mehrzahl seiner jährlich einen Mil-
lion Besucher überrannt wird - eine echte Herausforderung für ein Örtchen mit nur 170
Einwohnern.
Gruyères ist eher ein Dorf als ein Städtchen, durch das nur eine Straße führt - aber was
für eine Straße! Breit wie ein Fußballplatz führt sie kopfsteingepflastert zuerst bergab zu
einem in der Mitte stehenden Brunnen und dann wieder bergauf, wo sie sich dramatisch
verengt, um sich durch das Tor in der Schlossmauer zu zwängen. Links und rechts wird sie
von hübschen mittelalterlichen Häusern mit weit überstehenden Dachtraufen gesäumt, de-
ren Steinmauern fast alle verputzt sind, die Blumenkästen sind der reinste Farbenrausch.
Das überaus fotogene Ensemble ähnelt mehr einer Filmkulisse als einem bewohnten Ort.
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